Österreichs Kapitän Vahid Muharemovic (hier gegen den Deutschen Lukas Sepp) drückte den ersten Länderspielen seinen Stempel auf.

Foto: GEPA pictures/ Michael Meindl

Maria Enzersdorf – Da sitzt Patrik Barbic nun. Allein auf der Trainerbank in der fast leeren Halle. Zum ersten Mal seit langer Zeit könne er entspannen, sagt er und blickt auf den blauen PVC-Boden vor sich. Auf jenen Boden, auf dem das österreichische Futsal-Nationalteam zuvor Geschichte geschrieben hat.

Im Juni 2018 vom Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) ins Leben gerufen, absolvierten die Hallenfußballer von Barbic an diesem Wochenende ihre historisch ersten beiden Länderspiele, ausgerechnet im Doppelpack gegen Deutschland. Am Freitag und Sonntag schaute am Ende jeweils ein 2:2 heraus.

Das ÖFB-Video zur ersten Partie.
ÖFB-TV

"Einfach Wahnsinn", sagt Barbic über den Moment, als er am Freitagabend erstmals die Nationalhymne am Spielfeld hören durfte. Das Ambiente bot Länderspielstimmung. Dafür durften die berühmt-berüchtigten rot-weiß-roten Fahnen eines Bierherstellers freilich nicht fehlen. 520 Fans schwangen sie zum Radetzky-Marsch. Die BFSZ-Halle in Maria Enzersdorf südlich von Wien war gut besucht, aber nicht ausverkauft. Vereinzelt schimmerten freie Plätze auf der Tribüne durch, in Gelb oder Blau. Die Vereinsfarben der Handballerinnen von Hypo NÖ, die hier ihre Heimspiele austragen.

Kein Zufall, denn Futsal wird auf einem Handballfeld mit Handballtoren gespielt. Die Regeln hetzen die vier Feldspieler plus Goalie pro Team förmlich. Rückpässe haben Seltenheitswert – zwischen zwei Torhüterkontakten muss ein Gegner den Ball berührt haben. Banden und Einwürfe gibt's nicht, stattdessen Einkick und fliegende Wechsel. Der Ball ist zudem schwerer, kleiner und sprungreduziert, er klebt also besser am Fuß als beim Feldfußball.

Zeitschinden zwecklos

Ja, Fußballromantiker fühlen sich im Futsal gut aufgehoben, den 20 Minuten Nettospielzeit pro Halbzeit sei Dank. Denn passiert hier ein Foul nach 5:34 Minuten, findet der Freistoß garantiert ebenfalls nach 5:34 Minuten statt. Zeitschinden zwecklos. Ab dem sechsten Teamfoul pro Hälfte erhält der Gegner zudem einen Freistoß ohne Mauer von der Zehn-Meter-Marke.

Eine Regel, mit der Österreich am Freitag beinahe Probleme bekam, rasch die ersten vier Teamfouls kassierte. Denn wer jahrelang auf diesen Moment, das erste Länderspiel, warten muss, geht bisweilen übermotiviert ans Werk. Aber das hat auch Vorteile: Denn die ÖFB-Equipe konnte es anscheinend dermaßen nicht erwarten, dass Adilaid Dizdarevic in der zweiten Minute den ersten Torschuss der Geschichte gleich im Tor versenkte. "Einfach Wahnsinn", sagte auch der Torschütze, der zum Jubeln sofort zu den Ersatzspielern geeilt war. Hier wären wir wieder bei Erleichterung und Druckabbau.

Die ersten ÖFB-Tore

Denn Druck herrscht im Futsal permanent. Das kleine Spielfeld und die spielbeschleunigenden Regeln gönnen den Ballkünstlern kaum Verschnaufpausen. Entweder der Gegner oder man selbst steht unter Druck. Oder beide. Um dem zu entkommen, hilft nur Antizipation und Abstimmung. Problem: Dafür blieb Österreich wenig Zeit, gerade einmal vier Lehrgänge gab es seit der Gründung.

Koordination lautstark

Umso beachtlicher die Premiere, die Koordination funktionierte – durchaus lautstark. Tormann Dino Cesovic bot den Zuschauern konstante Soundeffects. "Hinten raus" oder "Lang, lang" lauteten seine Kommandos. "Ich versuche, das Spiel zu lesen und zu öffnen", sagte die Nummer eins. "Ich möchte das Team pushen, es ist meine Familie."

Das 1:0 im zweiten Spiel.

Im ersten Spiel brach Österreich trotz zweier Gegentore binnen zweier Minuten nicht auseinander, am Sonntag gelang nach demselben Malheur noch in letzter Minute der Ausgleich. "Wir haben einen super Charakter", sagt Nationaltrainer Barbic. Die Moral stimmt, die Lockerheit auch. Nach beiden Auftritten feierten die Spieler mit Freunden und Verwandten. Barbic holte sich noch den Applaus der mitgereisten Burschen aus der Akademie des SKN St. Pölten ab, die er hauptberuflich trainiert.

Österreich ist jetzt offiziell in der internationalen Futsal-Familie angekommen, der Deutschland bereits 2016 beitrat. Anfang des Jahres überstand der ÖFB-Nachbar die WM-Quali-Vorrunde. Im Oktober geht es in der Hauptrunde unter anderem gegen Europameister Portugal um die Endrundenteilnahme. Trainer Marcel Loosveld sagt: "Das ist nochmals ein anderes Niveau, die haben eine Profi-Liga. Es ist nicht einfach, international seinen Platz als Neuankömmling zu finden."

Genau diese Aufgabe steht den österreichischen Amateuren jetzt bevor. Der Schwung vom Premierenwochenende soll mitgenommen werden. "Das Ziel war, den Zuschauern geilen Futsal zu bieten, und das haben wir sehr gut erfüllt", sagt Barbic. "Super Ergebnis, super Werbung." (Andreas Gstaltmeyr, 15.4.2019)

Freitag: Österreich – Deutschland 2:2 (1:0)
BSFZ-Halle, Maria Enzersdorf, 522 Zuschauer
SR: Kovacs/Szilagyi (HUN)

Tore: Adilaid Dizdarevic (2.), Alen Muharemovic (21.) bzw. Manuel Fischer (22.), Michael Meyer (23.)
Starting Five: Dino Cesovic; Adilaid Dizdarevic, Edwin Skrgic, Alen Muharemovic, Vahid Muharemovic

Sonntag: Österreich – Deutschland 2:2 (1:0)
BSFZ-Halle, Maria Enzersdorf, 541 Zuschauer
SR: Szilagyi/Kovacs (HUN)

Tore: Said Djulic (5.), Adilaid Dizdarevic (39.) bzw. Jilo Hirosawa (37.), Elias Saad (39.)
Starting Five: Agan Fejzic; Adilaid Dizdarevic, Edwin Skrgic, Alen Muharemovic, Vahid Muharemovic

Kader ÖFB Futsal-Nationalteam:
Sinan BICER (Fortuna Wr. Neustadt)
Matthias BINDER (Fortuna Wr. Neustadt)
Dino CESOVIC (Vienna Walzer)
Adilaid DIZDAREVIC (Diamant Linz)
Josip DJOJA (Stella Rossa tipp3)
Said DJULIC (Futsal Klagenfurt)
Agan FEJZIC (Diamant Linz)
Manuel GAGER (Stella Rossa Juniors)
Marco MEITZ (Fortuna Wr. Neustadt)
Stefan MILENKOVIC (Fortuna Wr. Neustadt)
Antonio MRSIC (Komusina)
Alen MUHAREMOVIC (Murexin Allstars)
Vahid MUHAREMOVIC (Murexin Allstars)
Matthias SADILEK (Stella Rossa Juniors)
Edwin SKGRIC (Diamant Linz)
Dejan SLAMARSKI (Liberta Wien)
Kevin VASCHAUNER (Futsal Klagenfurt)

Auf Abruf: Alec FLÖGEL (Stella Rossa Juniors), Arthur VOZENILEK (Stella Rossa Juniors), Adi VREBAC (Fortuna Düsseldorf), Burhan YILMAZ (MNK Croatia 97)