Eine Aufnahme aus dem Jahr 2012. Teils gnadenlos naiv stützen die Marathon-Touristen die Fassade des Unrechtsregimes.

Foto: wikicommons/Uri Tours (uritours.com)

Pjöngjang/Köln – Exklusiver, exotischer, exzentrischer: Der Marathon-Tourismus boomt, und der neue Hotspot für solvente Ausdauersportler aus der ersten Welt ist Nordkorea. Eine Rekordzahl von 950 "Westlern" trat am Sonntag beim Rennen in Pjöngjang an. Dies sei eine Steigerung von mehr als 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, gab Reiseveranstalter Koryo Tours bekannt, der Trips zum gemeinschaftlichen Laufspektakel in der Hauptstadt des Unrechtsregimes anbietet.

Die fünftägige Exkursion von Peking aus ins bunt geschmückte Herz der politischen Finsternis kostete 1.299 Euro mit inkludierter Zuganreise nach Nordkorea. 439 Euro mehr wurden fällig, um spektakulär in Pjöngjang einzufliegen – mit der berüchtigten staatlichen Fluggesellschaft Air Koryo.

Ausgebucht

Das übliche – restriktiv überwachte – Besichtigungsprogramm der historischen und wirtschaftlichen Errungenschaften des bettelarmen Landes war im Preis enthalten – Individualtourismus ist im Lande von Diktator Kim Jong Un weder bekannt noch erwünscht.

Die Tourpakete waren weit im Vorhinein ausgebucht. "Seit sich die politischen Spannungen etwas gelegt haben, hat sich die touristische Nachfrage deutlich erhöht", sagte Elliott Davies, Direktor des konkurrierende Reiseveranstalters Uri Tours. In der Tat: Da Machthaber Kim Jong Un sich derzeit mit der halben Welt anlegt und mit US-Präsident Donald Trump zumindest zeitweise den Schulterschluss sucht, herrschen vergleichsweise ruhige Zustände.

Dennoch schwebt über Nordkorea-Besucher stets das Menetekel unschöner Erlebnisse: So wurde der US-Student Otto Warmbier 2015 zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt, nachdem er ein Propagandabanner als Souvenir eingesackt hatte. Zwei Jahre später wurde er entlassen – im Wachkoma allerdings, aus dem Warmbier nicht mehr erwachte.

Naivität

Die Haltung der davon unbeeindruckten westlichen Gastjogger, die beim Zieleinlauf von rund 50.000 Zuschauern im Kim-Il-Sung-Stadion sorgsam choreographiert beklatscht wurden, lag irgendwo zwischen Abenteuerlust und gnadenloser Naivität. "Ich will das wirkliche Leben in Nordkorea selbst erfahren", sagte der Mazedonier Angel Arnaudov der Nachrichtenagentur AFP. Die Australierin Jasmine Barrett meinte: "Ich komme immer zurück, weil ich das Lächeln in den Kindergesichtern liebe."

Sportlich dominieren – sehr zuliebe des Regimes – zumeist nordkoreanische Läufer das Heimrennen. Die Streckenrekorde liegen allerdings deutlich über den Weltrekorden, was seltsam ist in einem Land, in dem selbst die Staatsführung angeblich sportliche Wundertaten aus dem Ärmel schüttelt.

Der "geliebte Führer" Kim Jong Il, 2011 verstorbener Vater des aktuellen Herrschers, ist der einzige Mensch, dem auf der ersten Golfrunde seines Lebens elf Asse gelangen, vollbracht 1994 auf einem Platz bei Pjöngjang. Dies behauptete zumindest Nordkoreas Informationsministerium. (SID, 8.4.2019)