Versucht man, den Ursachen der gegenwärtigen und wohl länger schwelenden Koalitionsmisere auf den Grund zu gehen, hat es wenig Sinn, damit bei einer Geldverschiebung unter Rechtsextremisten im T-Shirt und einem sich darob perplex gebenden Bundeskanzler anzusetzen. Die Enthüllung, dass es sich bei den Freiheitlichen und den Identitären um die beiden Seiten der Großen-Austausch-Medaille handelt, konnte in der politischen Szene niemanden wirklich derart überraschen, wie Sebastian Kurz vortäuscht. Desavouiert, wie er nun von seinem Koalitionspartner wurde, steht er als Opfer seines intrigant getriebenen Ehrgeizes da, um jeden Preis eine Regierung gegen alles zu bilden, was in diesem Land sozialdemokratisch oder auch nur liberal ist. Und es wird offenbar, dass er sich im Va-banque-Spiel mit der einzig möglichen Variante dazu, der freiheitlichen, grob überschätzt hat.

Hätte er von Strache ein öffentliches Bekenntnis zur Widerlichkeit von Identitären vor der Bildung dieser Koalition gefordert, hätte er sich schon damals jede Schwammigkeit im Umgang mit Rechtsextremismus mit demselben Gestus der Entschlossenheit verbeten, den er heute vielleicht sogar ehrlich meint, wäre seine Regierung vermutlich trotzdem zustande gekommen. Nur die Show der fruchtbaren Zusammenarbeit ohne jeglichen Streit hätte man der Öffentlichkeit nicht so leicht andrehen können.

Verhöhnung des Bundeskanzlers

Es ist ja, zumindest bisher, nicht so, dass Kurz ein Machtwort gesprochen oder die FPÖ unter Zugzwang gesetzt hätte. Offensichtlich ist das Gegenteil: Der Vizekanzler putzt sich kühl ab, es gebe ohnehin einen klaren Parteibeschluss, wonach Identitäre in der FPÖ weder Mandat noch Funktion haben dürften. Was eine Leermeldung ist, solange er umgekehrt seinen Parteifreunden nicht verbieten will, mit Identitären zu demonstrieren, ja darin auch gar kein Problem sieht. Man möge doch – und auf wen sonst als auf den Kanzler soll sich das beziehen? – keine Hysterie an den Tag legen. Und überhaupt dürfe man sich nicht an rechtsextremer Ideologie als Privatvergnügen stoßen, solange das Strafrecht nicht greift.

Man muss auch den Auftritt des freiheitlichen Klubobmannes Walter Rosenkranz bei Armin Wolf als das sehen, was er war – eine in Verharmlosung verpackte Verhöhnung des Bundeskanzlers. Rechtsextremismus wäre eine Folge der journalistischen Freiheit, der sich Freiheitliche in publizistischer Tateinheit mit Identitären nun einmal nicht entziehen können, und zur Hausgemeinschaft zwinge einfach das Mietrecht. Worüber also regt sich Kurz plötzlich auf?

Die Quintessenz dieser Koalition: Die Partner sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Daran hängt die Kanzlerschaft von Kurz, die sich Wirtschaftskreise viel kosten ließen, daran hängt der Nachweis freiheitlicher Regierungsfähigkeit. Daher kam vom Kanzler nicht mehr als eine folgenlose Moralpredigt und die Forderung, die Nachrichtendienste müssten künftig auch ihm berichten. Das hat nichts mit den Identitären zu tun, ist aber ein Witz, hat er doch diese selber den Freiheitlichen überlassen, um Kanzler zu werden. So viel türkise Schwammigkeit kann einen Kickl nur amüsieren. (Günter Traxler, 4.4.2019)