Wien – Ein Konzertprogramm im Retourgang, sozusagen: Zuerst spielten die Wiener Symphoniker eine romantische Symphonie, nach der Pause ein Instrumentalkonzert und zum Schluss das kürzeste Stück des Abends. Und mit Liszts Les Préludes zudem eines, das in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg nicht allzu oft in den Konzertsälen zu hören war – beinhaltet es doch jenes fanfarenpralle Thema, mit dem in der NS-Zeit im Radio die Sondermeldungen der Wehrmacht angekündigt wurden. Darf man das spielen? Es beruhigt natürlich, wenn ein solcherart vorbelastetes Stück von einem Dirigenten aus Israel interpretiert wird. Kann man das genießen?

Showsinn und Banalität

Nein, es gruselte einem selbst als Enkelkind dieser Zeit noch. Lahav Shani präsentierte die zwischen Genie, Showsinn und Banalität changierende symphonische Dichtung mit Verve, der charismatische Gastdirigent des Orchesters stachelte die Symphoniker zu glühendem Einsatz an: Wie ein hochgetuntes Formel-1-Auto fegten die Streicher durch manchen Werkabschnitt.

Beglückend, welche Kraftströme der 30-Jährige am Mittwochabend auch bei Brahms‘ dritter Symphonie im Orchester weckte und lenkte: gleich zu Beginn etwa beim nobel-mächtig präsentierten Hauptthema. Vielleicht, dass Shani schlagtechnisch zu sehr der horizontalen Bewegung frönt und die vertikale Zeichensetzung vernachlässigt: Die daraus folgenden minimalen Präzisionsmängel im Zusammenspiel hätten vermieden werden können, wenn die blassen Stimmführer der Streichergruppen aktiver und aufmerksamer agiert hätten.

Vierhändige Zugabe

Zwischen dieser geballten Orchestervitalität geriet lediglich Mozarts d-Moll Klavierkonzert leicht enttäuschend: Kirill Gersteins uniformes Martellato-Spiel wurde den unterschiedlichen Stimmungen des Werks nicht gerecht. Schuberts Militärmarsch, zusammen mit Shani als Zugabe vierhändig vorgetragen, entzückte das Publikum danach. (Stefan Ender, 4.4.2019)