Blick von Spitzbergen auf die längst versunkene Deltalandschaft. Hier ziehen sich noch die Spuren eines uralten Kanals entlang.
Foto: Tore Grane Klausen

Etwa 110.000 Quadratkilometer umfasst das Ganges-Brahmaputra-Delta in Südasien, gegenwärtig das größte Flussdelta der Welt. Und doch ist das nur ein Zehntel dessen, was das größte bekannte Delta der Erdgeschichte maß: In ihm hätte ein Prozent der gesamten heutigen Landmasse Platz gehabt, berichtet ein norwegisches Forscherteam in der Fachzeitschrift "Geology".

Spuren dieses Mega-Deltas fanden die Forscher in der Barentssee, einem zwischen Norwegen und Russland gelegenen Randmeer des Arktischen Ozeans. Dessen Fläche von 1,4 Millionen Quadratkilometern soll sich im Großen und Ganzen mit der Fläche des einstigen Deltas decken, wenn es nach dem Team von der Universität Bergen geht. Dafür sprächen mittels Reflexionsseismik gewonnene Daten ebenso wie Gesteinsproben, die bei Probebohrungen auf der Suche nach Erdöllagerstätten entnommen wurden.

Im Norden der Welt

Seine Zeit als Flussdelta erlebte das heutige Stück Meeresboden vor über 200 Millionen Jahren in der Trias. Damals lag es an der Nordküste des Superkontinents Pangaea, zu dem vorübergehend alle größeren Landmassen der Erde verschmolzen waren. Laut dem Team um Studienerstautor Tore Grane Klausen dürften es mehrere Flüsse gewesen sein, die hier die für Deltas typischen Sedimentschichten ablagerten. Das Material dafür stammte aus dem Inneren Pangaeas, aus dem Ural und aus den variszischen Gebirgen, deren letzte Überreste heute in Europa und dem Osten Nordamerikas zu finden sind.

Der Superkontinent Pangaea in seinen besten Zeiten. Als das Mega-Delta in seinem Norden bestand, setzten im Süden der gewaltigen Landmasse aber bereits erste Zerfallsprozesse ein.
Illustration: Massimo Bernardi

Laut den Forschern dürfte das Delta für die Zeit vor 237 bis 227 Millionen Jahren bestanden haben – eine durchaus lange Periode, die dafür spricht, dass das (warme) Klima und der Meeresspiegel damals recht stabil waren. Fossilien von Farnen und Gingko-Verwandten sprechen dafür, dass die schlammige Ebene des "Snadd-Deltas" (benannt nach einer Gesteinsformation, aus der Proben entnommen worden waren) üppig bewachsen war und von Monsunregen feuchtgehalten wurde.

Paradies mit unwirtlichem Hinterland

Über die Tierwelt des Snadd-Deltas können die Forscher mangels Fossilienfülle bislang nur spekulieren. Sowohl die Dinosaurier als auch die Krokodile begannen sich in dieser Zeit erst zu entwickeln. An ihrer Stelle dürften die feuchten Farnwälder zwischen den Flussarmen von Labyrinthodontia besiedelt gewesen sein: Amphibienverwandten, die die Ausmaße heutiger Krokodile erreichen konnten. Im Wasser dürften sich Ichthyosaurier getummelt haben.

Möglicherweise, so die Forscher, war die gewaltige Deltalandschaft damals sogar ein wichtiger Hotspot der Biodiversität. Denn hier gab es Wasser und Pflanzen als Grundlage einer Nahrungskette im Überfluss. Weiter südlich hingegen, im trockenen Inneren des Superkontinents, war es wesentlich unwirtlicher: ähnlich vielleicht dem heutigen Zentralasien, nur – wie fast alles in Pangaea – eine Nummer größer. (jdo, 6. 4. 2019)