Driftkörper – in diesem Fall einfache Holzplättchen – werden im Meer ausgesetzt. Sie tragen eine Inschrift, die Finder darum bittet, den genauen Fundort auf einer Webseite zu melden
Foto: Thomas Badewien/ Universität Oldenburg

Oldenburg – Mit sogenannten Driftkörpern versuchen Forscher nachzuvollziehen, wie sich Müll in den Meeren verteilt: Eine solche "Flaschenpost" im Dienste der Wissenschaft – die avancierteren Versionen sind mit Sendern ausgestattet – wird ins Meer gesetzt. Und dann beobachtet man, wohin es sie im Lauf der Zeit verschlägt.

Das haben Wissenschafter vom Oldenburger Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) 2018 in der Nordsee gemacht und sind dabei auf ein unerwartetes Phänomen gestoßen: Für eineinhalb Monate hat sich die oberflächennahe Strömung in der Nordsee in diesem Jahr umgekehrt. Sie kreiste nun im Uhrzeigersinn statt wie sonst umgekehrt. Die Ursache waren die Windverhältnisse, wie die Uni Oldenburg berichtet.

Die Ausgangslage

Die Strömung in der Nordsee ist von den in diesen Breiten vorherrschenden Westwinden und den Gezeitenwellen des Atlantiks beeinflusst. Letztere dringen aus Westen durch den Ärmelkanal und aus Norden entlang der britischen Ostküste in das flache Meer vor. In der Folge kreist das Wasser der Nordsee gegen den Uhrzeigersinn – normalerweise.

Im Februar 2018 setzten die ICBM-Forscher jeweils 800 einfache Holzdrifter sowie einen mit GPS ausgestatteten Driftkörper vor den Inseln Borkum und Sylt aus. In der Regel würden diese entlang der ostfriesischen und nordfriesischen Inseln nach Osten und nach Norden treiben. Stattdessen meldeten Bewohner der britischen Ostküste in den folgenden Wochen insgesamt fast 800 Fundorte von Holzdriftern.

Die vor Borkum ausgesetzten Plättchen trieben zwischen 450 und 560 Kilometer weit an die Küste zwischen Burniston, nördlich von Scarborough, und Peterlee in Nordostengland. Die vor Sylt ausgesetzten Drifter legten bis zu 600 Kilometer zurück und erreichten die Küste weiter nördlich zwischen Lynemouth, Northumberland, und Dunbar in Südschottland. Der GPS-Drifter bewegte sich mit der Strömung ebenfalls in nordwestliche Richtung. Seinen Weg über mehr als 400 Kilometer konnten die Forscher zwei Monate lang verfolgen.

Ursache und Folgerungen

Eine Analyse der Wetterdaten zwischen Mitte Februar und Ende April zeigte, dass der Wind in dieser Zeit hauptsächlich aus östlicher Richtung geweht hatte – teilweise mit erheblichen Windstärken. Mit mathematischen Modellen, die unter anderem die Windstärke und Windrichtung sowie Wellenbewegungen berücksichtigten, berechneten die Wissenschafter den Weg der Driftkörper durch die Nordsee sowie deren Anlandung an der Küste. Die Modellergebnisse deckten sich sehr gut mit den tatsächlichen Fundorten.

Laut dem Ozeanografen Emil Stanev handelte es sich um ein seltenes Ereignis: Weitere Berechnungen hätten gezeigt, dass sich die Strömung in der Nordsee in den vergangenen 40 Jahren nur vier Mal noch stärker verändert hatte als 2018. Solche Erkenntnisse seien wichtig – nicht nur, um die Verteilung von Müll und Schadstoffen besser vorhersagen zu können. Derart umfassende Veränderungen der Strömungsverhältnisse können auch weitreichende Einflüsse auf die natürlichen biologischen und chemischen Prozesse haben. (red, 6. 4. 2019)