Die I. Medizinischen Klinik auf dem Areal des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) soll abgerissen werden. Die Neos sind der Meinung, das Gebäude könnte für Büros genutzt werden.

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"Es ist ein Jammer, dass man diese Gebäude verfallen lässt", sagt Stefan Gara, Stadtplanungssprecher der Wiener Neos, über den geplanten Abriss der historischen Kliniken auf dem Gelände des AKH in Wien. Wie berichtet ist der Zustand der ehemaligen I. Medizinischen Klinik und der benachbarten Kinderklinik, die beide Anfang des 20. Jahrhunderts nach Plänen des Ringstraßenarchitekten Emil von Förster errichtet wurden, schlecht. Sie stehen zum Teil seit Jahren leer, und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Bagger auffahren, um sie abzureißen. Das AKH argumentiert damit, dass eine zeitgemäße Nutzung nicht möglich sei und der Ort gebraucht werde, um Forschungslabore zu errichten. Daran stoßen sich die Wiener Neos jedoch. Man solle eine alternative Nutzung andenken, die Kliniken etwa als Verwaltungsgebäude in Betracht ziehen, so Gara.

Neuer Paragraf

Die Neos nahmen die Recherchen des STANDARD zum Anlass und richteten eine Anfrage an die MA 19, ob ein Abriss der Gebäude auf Basis der neuen Bauordnung genehmigungsfähig wäre. Zur Erinnerung: Im Juni letzten Jahres verabschiedete die rot-grüne Stadtregierung eine Novelle, wonach der Abriss von Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden, genehmigt werden muss. Hintergrund ist der, dass alte Gebäude besonders geschützt werden sollen. Mit einer Antwort der MA 19 ist in zwei Monaten zu rechnen.

Die Neos hinterfragen die Sinnhaftigkeit der Novelle. Sie haben ihre Zweifel, ob der neue Paragraf in der Bauordnung wirklich zu einer relevanten Verbesserung führt. Gara spricht von Intransparenz, weil eine formlose Bestätigung der MA 19 ausreicht, um Genehmigungen zu erteilen oder zu verweigern. Diese sei schnell geschrieben und könne nicht im Instanzenzug bekämpft werden. Dafür bräuchte es einen vollwertigen Bescheid. Außerdem gebe es keine formalen Kriterien, welche Gebäude wegen des öffentlichen Interesses erhalten werden sollen, so die Kritik.

426 Abbruchansuchen

Entscheidungen sind jedenfalls bereits zuhauf getroffen worden, wie DER STANDARD aus dem Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) erfahren hat. Bis Anfang März 2019 sind 426 Abbruchansuchen seitens der MA 19 begutachtet worden. 371 Ansuchen wurden "genehmigt" – für diese wurde eine Bestätigung des Magistrats ausgestellt, dass kein öffentliches Interesse an der Erhaltung der Gebäude besteht. 55 Ansuchen wurden "abgelehnt" – diese Gebäude wurden als erhaltenswürdig eingestuft.

Die Neos regen an, die Schutzzonen ins Visier zu nehmen und diese auszuweiten. Unabhängig vom Denkmalschutz kann die Stadt solche festlegen und damit charakteristische Ensembles vor Abbruch oder Überformung schützen. Laut Neos ist die Stadt säumig bei der Umsetzung. Denn es gebe bereits seit 1996 Untersuchungen, welche Gebiete schutzwürdig wären. Verordnet wurde von der Stadt aber bisher nur ein Bruchteil der erhobenen Gebiete.

Kein Schutz für Blaues Haus

Die historischen Kliniken sind nicht die einzigen Gebäude, mit deren Zukunft sich die Neos derzeit auseinandersetzen. Eine Anfrage an die MA 19 richteten sie auch im Falle des "Blauen Hauses" neben dem Westbahnhof, an dessen Stelle ein neuer Ikea errichtet werden soll. Die Antwort der Behörde traf am Dienstag ein. Ein externer Gutachter befand, dass es aufgrund tiefgreifender Veränderungen nicht mehr authentisch sei und infolge von Umbauten keine architektur- und kulturgeschichtlich relevanten Merkmale aufweist. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Bauwerks. (Rosa Winkler-Hermaden, 3.4.2019)