Müssen in die Fremde: Monsieur Claude (Christian Clavier) und seine Frau Marie (Chantal Lauby).

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Regisseur Philippe de Chauveron.

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Israel, Algerien, China, Elfenbeinküste: Das sind die Länder, zu denen die Familie Verneuil aus dem beschaulichen französischen Chinon reichlich Migrationshintergründe durch Verheiratung bekommt. Jede der vier Töchter von Claude Verneuil entschied sich in dem Komödienwelterfolg aus dem Jahr 2014 für einen Mann, der nicht ganz ins konservative Idealbild passt. Fünf Jahre hat sich Philippe de Chauveron für die Fortsetzung Zeit gelassen. In Monsieur Claude 2 geht es nun auch wieder um Fragen der Integration: Die Töchter und ihre Partner wollen alle auswandern, nach Israel, Algerien, Afrika und Indien. Der Patriarch, längst ein aufgeklärter Identitärer, will das nicht so einfach zulassen.

STANDARD: Sie haben vor fünf Jahren nicht nur die französische, sondern die europäische Kinolandschaft mit der Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter" durcheinandergewirbelt. Wie hat sich Frankreich in den fünf Jahren seither verändert?

De Chauveron: Es war schon vor fünf Jahren kompliziert. Offensichtlich ist es seither schlimmer geworden. Vieles ist passiert, was Spannungen verursacht. Persönlich bin ich eigentlich Optimist, und ich interessiere mich für Gesellschaftspolitik, seit ich zehn Jahre alt war. Das gibt mir eine etwas gelassenere Perspektive, denn eigentlich war schon in den Jahren meiner Kindheit alles ziemlich schwierig. Das geht also nahtlos weiter. Ich fühle mich ein bisschen hilflos.

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STANDARD: Haben Sie lange gezögert, bis Sie sich zu einer Fortsetzung entschlossen?

De Chauveron: Die Nachfrage war natürlich sofort da. Schon bei den Previews von Monsieur Claude und seine Töchter sprachen mich Leute darauf an. Und als der Film so erfolgreich war, hat mich der Produzent klarerweise mit Anrufen bombardiert. Ich war mir nicht ganz sicher, denn einerseits soll bei einer solchen Fortsetzung ja alles gleich bleiben, es muss aber auch etwas weitergehen. Ich brauchte Zeit, um das Thema zu finden.

STANDARD: Das Thema ist nichts Geringeres als Frankreich selbst?

De Chauveron: Tatsächlich ist das Thema Frankreich an und für sich und wie wir uns in unserem Land wohlfühlen können. Das ist eine komplexe Sache. Entweder man hat seinen Ursprung schon da oder nicht, und in diesen Abstufungen fühlen sich viele Menschen als Franzosen, werden aber nicht als solche wahrgenommen, wegen ihrer Hautfarbe oder ihrer Religion. Das wäre das Thema: Wie können wir uns mit unterschiedlichen Hintergründen wohlfühlen?

STANDARD: Komödien haben etwas Schematisches. In diesem Fall besonders: vier Männer, vier Frauen, zwei Elternpaare, macht ein Dutzend Menschen in wechselnden Spiegelverhältnissen. Macht dieser Aspekt schreiberisch Spaß?

De Chauveron: Das ist eine zweischneidige Sache. Einerseits ist das eine Beschränkung: Ich habe eineinhalb Stunden Zeit und diese zwölf, dreizehn Figuren. Man darf niemals vergessen, es muss schnell gehen, denn eine Komödie muss ein Schlagabtausch sein. Im Endeffekt hat mir dieses Schematische durchaus Spaß gemacht, man kann dadurch ja auch ständig die Perspektive wechseln. Zwischendurch habe ich aber öfter gedacht: Warum mache ich nicht einfach eine Serie?

STANDARD: Haben Sie Vorbilder im Komödienkino? Wo finden Sie Inspiration?

De Chauveron: Ich war ein sehr filmverliebtes Kind und ging schon mit zehn Jahren dauernd ins Kino, später in den Videoklub. Es gibt die klassischen Idole: Charlie Chaplin, Billy Wilder. Dann kamen die italienischen Komödien: Die Monster von Dino Risi war ganz entscheidend, vor allem auch der Umstand, dass ich das so früh gesehen habe. Ich verehre Woody Allen, die Brüder Farrelly und populäre französische Komödien: zum Beispiel Die Besucher, das mag vielleicht ein bisschen dumm wirken, aber trifft auf ein breites Publikum.

STANDARD: Sie erwähnten die Brüder Farrelly. "Green Book" von Peter Farrelly hat den Oscar als bester Film gewonnen, wurde aber auch kritisiert als Wiederholung alter Herrschaftsverhältnisse. Sie haben auch eine afrikanische Familie in Ihrem Film, über die Sie sich lustig machen. Gab es da vielleicht vergleichbare Kritik?

De Chauveron: Ich habe das Problem nicht gehabt. Besucher mit afrikanischem Hintergrund haben sehr positiv reagiert und sich da eher wiedergefunden. Ich finde die Kritik an Green Book bedauerlich, das ist ein kraftvoller Film.

STANDARD: Eine der Schlusspointen in "Monsieur Claude 2" ruft das Erbe von General de Gaulle auf. Ist das eine kleine Hommage an die konservative Grundhaltung Ihres Erzählens?

De Chauveron: Die jüngere Generation kann mit de Gaulle vielfach kaum mehr etwas anfangen. Aber für viele Menschen in Frankreich ist er nach wie vor der Vater der Nation und der Retter im Zweiten Weltkrieg. Die Anspielung ist durchaus zweideutig gemeint. Mit de Gaulle ist es wie mit allen Helden: Wir würden sie gern idealisieren, irgendwann aber erfährt man, dass es auch die eine oder andere Schattenseite gab.

STANDARD: "Monsieur Claude 2" macht kräftig Werbung für Frankreich. Was finden Sie an Ihrem Land besonders attraktiv?

De Chauveron: Ach, das Übliche: das Essen. Die Landschaft. Eigentlich auch die Mentalität. Die Franzosen beklagen sich die ganze Zeit und sind engstirnig auf ihre Art, besitzen aber auch großes komödiantisches Talent. Man kann hier, wie in Italien, über vieles gut lachen.

STANDARD: Was könnte denn in der polarisierten Gegenwart ein Integrationsmoment für Frankreich sein? Hat das Kino da noch eine Bedeutung?

De Chauveron: Das Kino? Ich weiß nicht. Das Drehbuch für die Fortsetzung habe ich zwar vor den Gelbwesten geschrieben, manche Themen habe ich aber auch angedeutet: die Verarmung der kleineren Dörfer, wo die Banken schließen, man macht eine Fußgängerzone, dann können die Leute dort nicht mehr parken, also fahren sie zum Einkaufszentrum. Diese Probleme waren aber schon vorher da, Macron trifft es halt jetzt. Vielleicht wäre eine Lösung, die Fußball-Weltmeisterschaft zu gewinnen. Das hält aber auch nur ein, zwei Monate. (Bert Rebhandl, 3.4.2019)