London – Das britische Parlament sucht am Montag mit Hochdruck weiter nach Alternativen zum Brexit-Kurs von Premierministerin Theresa May. Sonst drohen ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder eine erneute Verschiebung des EU-Austritts. Die Abgeordneten werden erst am Abend (ab ca. 21 Uhr MESZ) über die Optionen abstimmen.

Parlamentspräsident John Bercow wählt zuvor aus acht Vorschlägen jene aus, über die das Unterhaus entscheiden soll. Bei der ersten Runde am vergangenen Mittwoch hatte es bei den Abstimmungen für keine der Optionen eine Mehrheit gegeben. Doch Beobachter halten es für möglich, dass sich die Abgeordneten nun auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten. Dazu gehören die Vorschläge, dass Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der Europäischen Union bleibt oder dass die Briten in einem neuen Referendum über den Deal entscheiden.

Grenze zu Irland

Zu den weiteren Vorschlägen zählt auch ein einseitiges Kündigungsrecht für den Backstop, der ein Knackpunkt im Brexit-Streit ist. Beim Backstop handelt es sich um eine Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Brexit-Hardliner fürchten, dies könnte das Land dauerhaft an die EU fesseln und eine eigenständige Handelspolitik unterbinden.

Bei einem Brexit ohne Abkommen werden chaotische Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche befürchtet. Ursprünglich wollte Großbritannien schon am 29. März aus der EU austreten. Doch das Parlament ist so zerstritten, dass der Termin nicht zu halten war.

Verbleib?

Am späten Montagnachmittag soll im Westminster Palace zudem über eine Petition für den Verbleib Großbritanniens in der EU beraten werden. Sechs Millionen Briten haben die Online-Petition auf der Website des Parlaments schon unterzeichnet – ein Rekord. Die Regierung teilte bereits mit, dass sie eine Rücknahme der Austrittserklärung ablehnt und sich an das Referendum von 2016 gebunden fühlt. Damals hatte eine knappe Mehrheit für die Scheidung von der EU gestimmt.

Online-Petitionen dürfen alle britischen Staatsbürger – auch im Ausland – und Einwohner Großbritanniens unterzeichnen. Das Parlament muss den Inhalt jeder Petition mit mehr als 100.000 Unterzeichnern für eine Debatte berücksichtigen. Gerüchte, dass auch Unbefugte die Petition unterzeichnet hätten, wies das zuständige Komitee zurück.

Drei Mal abgelehnt

Die Parlamentarier hatten am vergangenen Freitag Mays Abkommen zum dritten Mal abgelehnt. Es wird nicht ausgeschlossen, dass sie in den nächsten Tagen ihren Deal zum vierten Mal dem Unterhaus zur Abstimmung vorlegt. Auch über Neuwahlen wird zunehmend im Land diskutiert, um aus der Brexit-Sackgasse herauszukommen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker rief die Briten auf, rasch zu einer Entscheidung zu kommen. Großbritannien sollte seine Absichten "innerhalb weniger Stunden, innerhalb weniger Tage" klären, sagte Juncker am Sonntag dem italienischen Sender Rai. Die Geduld der Europäer neige sich dem Ende zu. (APA/dpa, 1.4.2019)