Berlin/Istanbul – In den deutschen Unions-Parteien mehren sich nach der Verlängerung des Rüstungsexportstopps für Saudi-Arabien kritische Stimmen. "Das ist eine Bankrotterklärung für die deutsche Sicherheits- und Außenpolitik", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.

Auch die Tatsache, dass die NATO-Quote – also der Anteil der nationalen Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt – weiter verfehlt werde, lasse Deutschland weder verlässlich noch berechenbar und bündnistreu erscheinen. Pfeiffer mahnte: "Wir müssen nach klaren Regeln agieren und nicht nach Bauchgefühl der SPD." Die SPD verhalte sich europafeindlich und gefährde die Bündnis- und Kooperationsfähigkeit Deutschlands. Die Gewerkschaft IG Metall mahnte, politische Entscheidungen dürften nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte sich zufrieden mit der Verständigung mit den beiden Regierungspartnern gezeigt.

"Kurzfristiges, moralisches" Wahlkampfinteresse

Auch CSU-Chef Markus Söder kritisierte die Haltung der SPD. Wenn Deutschland Verträge eingehe und mit Partnern etwas erreichen wolle, dann könne man nicht "Verbindungen über 20 Jahre kappen", weil man "jetzt mal ein kurzfristiges moralisches Interesse für den Wahlkampf" habe, sagte Söder auf einem kleinen CSU-Parteitag in Nürnberg. "Wir müssen in Europa endlich wieder lernen, ehrlich und anständig mit den anderen umzugehen, als ihnen immer vorzuschreiben, was sie zu denken, zu sagen und zu tun haben."

Nach erbittertem Streit hatte die deutsche Regierung ein bestehendes Verbot von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien grundsätzlich um ein halbes Jahr verlängert. Für rein deutsche Produkte gilt weiter ein komplettes Lieferverbot – auch für bereits genehmigte Exporte. Für europäische Gemeinschaftsprojekte haben Union (CDU/CSU) und SPD den Exportstopp dagegen leicht aufgeweicht: Bis Ende des Jahres dürfen deutsche Unternehmen Bauteile für solche Projekte an Unternehmen etwa in Frankreich oder Großbritannien liefern, damit die Produktion weitergehen kann. Die Regierung will aber verhindern, dass sie an die Auftraggeber Saudi-Arabien oder Vereinigte Arabische Emirate ausgeliefert werden.

Zudem enthält die Vereinbarung der Koalition einen geheimen Passus: Nach einem Bericht der Funke-Mediengruppe darf Frankreich Rüstungsgüter nach Saudi-Arabien liefern, die deutsche Bauteile im Gesamtwert von mehr als 400 Millionen Euro enthalten. Selbst in Regierungskreisen in Berlin bestand allerdings Unklarheit, wie strikt die Vorgaben umgesetzt werden können.

Glaubwürdigkeitsproblem

Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn (CSU), sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Wir laufen Gefahr, unsere außenpolitische Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit über Gebühr zu strapazieren." Für die deutsche wehrtechnische Industrie sei die Entscheidung ein herber Rückschlag, der zu weiteren Abwanderungen von Industriebetrieben ins Ausland führen werde.

Der scheidende Airbus-Chef Tom Enders warnte die Regierung vor Alleingängen. "Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland uns isolieren werden", sagte er am Freitag vor Journalisten in München. Mit Blick auf künftige europäische Rüstungsprojekte wie das geplante Luftverteidigungssystem FCAS stellte Enders die Frage, ob man den neuen Kampfjet außerhalb Deutschlands und ohne deutsche Teile bauen solle. "Wenn man die Rüstungsindustrie in Deutschland weiter abbauen will, kann man das machen", sagte der Manager, der die Konzernführung am 10. April an Guillaume Faury abgibt. Für Airbus sei dieses Geschäftsfeld keine Existenzfrage: "Wir können auch ohne Rüstung hervorragend leben."

Alternative Lösungen suchen

IG Metall-Vorstandsmitglied Jürgen Kerner sagte der dpa, die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie erwarteten von der Regierung zurecht Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Die Gewerkschaft drang auf alternative Lösungen für erteilte und nun gestoppte Exportgenehmigungen. "Gleichzeitig erwartet die IG Metall von der Bundesregierung, endlich auf die Partnerländer, vor allem in der Europäischen Union, zuzugehen, um Lösungen für bestehende und künftige gemeinsame Projekte zu entwickeln."

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte, die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien gingen ab sofort also über Frankreich. "Und dafür will sich die SPD auch noch feiern lassen", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstag).

Die deutsche Bundesregierung hatte im Herbst als Reaktion auf die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi entschieden, vorerst keine Rüstungsgüter mehr an Riad zu liefern. Khashoggi war im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. Türkische Ermittler oder auch die CIA haben Vorwürfe gegen den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman erhoben, in das Verbrechen verwickelt zu sein. (APA, dpa, 30.3.2019)