"Fleisch, Blut, Kälte – das ist das Image der Fleischer", bedauert Florian Hütthaler. Diese seien rar und gefragt.

Robert Newald

Als Kind schnitt Florian Hütthaler im elterlichen Betrieb in der Selch die Würstel auf. Nun gehört ihm der gleichnamige Fleischverarbeiter. Sein Schlachthof will den Weg vom Schwein bis zum Schnitzel transparenter machen. Der Oberösterreicher ist davon überzeugt, dass Konsumenten mehr Tierwohl einfordern, Biofleisch aber nicht massentauglich wird.

STANDARD: Sollte ein Mensch, der Fleisch isst, fähig und willens sein, selbst ein Tier zu töten?

Hütthaler: Nein. Auch früher gingen die Männer jagen, Frauen und Kinder aber aßen ebenso Fleisch. Was jedoch wichtig ist und gerade in Städten verlorenging, ist der Bezug zur Landwirtschaft: zu wissen, wie eine normale, konventionelle Landwirtschaft aussieht. Vor zwei Generationen hatten viele ja noch Bauern in der Familie, zu denen man vielleicht einmal im Jahr kam. Das fehlt heute den meisten. Ich selbst habe eine Metzgerausbildung. Schlachten ist daher ein Teil meines Berufs. Ich mache es nicht gern, aber es gehört dazu.

STANDARD: Wäre der Fleischkonsum geringer, wenn Konsumenten weniger gut im Verdrängen wären? Massentierhaltung findet ja überwiegend im Verborgenen statt.

Hütthaler: Ich bin mir nicht sicher. Eine gut gemachte konventionelle Schweinemast ist herzeigbar, deswegen würden Menschen nicht weniger Fleisch essen. Man muss die Realität kennen: Was über die Werbung vermittelt wird, ist aber vielfach ebenso unrealistisch wie das Bild, das Medien zeigen. Letztlich ist es der Preisdruck, der viele Betriebe dazu treibt, auf Kosten des Tierwohls noch schneller und rationeller zu arbeiten. Wir selbst streben einen konträren Weg an.

Doppelte Fläche, Auslauf, gentechfreies Futter: Hütthaler zahlt Bauern für höhere Tierwohlstandards im Schnitt um 30 Prozent mehr.
Foto: Hütthaler

STANDARD: Sie liefern Rind- und Schweinefleisch an die Marke Fairhof der Lebensmittelkette Hofer, die höhere Tierschutz-Standards zusichert. Nehmen Kunden das an?

Hütthaler: Wir gaben 30 Bauern eine Abnahmegarantie über fünf Jahre. Mit 14 Produkten wurde gestartet, im Sommer werden es 50 sein. Wir sind täglich ausverkauft.

STANDARD: Sie machen Fleischproduktion mit einem sogenannten gläsernen Schlachthof transparenter. Wollen die Leute wirklich sehen, wie Wurst erzeugt wird?

Hütthaler: Ich will unsere Ideen offenlegen, die helfen sollen, dass es Tieren besser geht. Durch Glasportale sieht man den Wartestall. Wir zeigen auch die Verarbeitung des Fleisches. Das Betäuben und das Töten sind ausgeklammert. Man muss aus ethischen Gründen keinem Tier beim Sterben zusehen.

STANDARD: Stressfrei schlachten: Reden wir uns da nicht was schön?

Hütthaler: Der Transport, das Abladen, der Zutrieb und das Warten können Tierwohl beinhalten. Wir treiben die Tiere nicht, sie finden leicht bergauf intuitiv den Weg. Es gibt keine Barrieren und rechte Winkel. Der Wartebereich ist aus Holz, das Raumklima ist besser und der Schall reduziert. Musik, die von einer englischen Uni speziell für Milchkühe komponiert wurde, sorgt für Grundbeschallung, damit Tiere durch einzelne Geräusche nicht erschrecken.

STANDARD: Was halten Sie von einer Weideschlachtung?

Hütthaler: Sie ist gut für das Tier und sinnvoll für den Eigenbedarf kleiner Bauern. Rechtlich ist sie aber ein Graubereich. In unserem Bereich ist sie aufgrund der hohen HygieneStandards nicht möglich. Wir dürften das Fleisch nicht in Umlauf bringen. Tierwohl, Hygiene, Vorgaben des Handels und der Lebensmittelindustrie lassen sich schwer unter einen Hut bringen.

STANDARD: Sie betäuben Ferkel bei der Kastration. Warum macht das nicht in der gesamten konventionellen Tierhaltung Schule?

Hütthaler: Bio tat den Schritt, und wir sind bei unserem Hofkultur-Projekt, das sich für mehr Tierwohl einsetzt, mitgezogen. Es gibt aber noch keine ideale Lösung für die Bauern. Denn die Betäubung muss der Tierarzt vornehmen. Österreichweit wäre das nicht möglich, dafür fehlen die Ärzte.

Fünf Millionen Schweine werden in Österreich jährlich geschlachtet. Ihr Leben ist hochindustrialisiert, jeder Cent zählt.
Foto: APA

STANDARD: Warum sind Konsumenten bereit, mehr für Katzenfutter auszugeben als für Schnitzel?

Hütthaler: Ich weiß es nicht. In Summe bin ich der Meinung, dass Fleisch zu billig ist. Das liegt nicht an uns Produzenten, auch nicht nur an Supermärkten, obwohl sie gerne Fleischaktionen machen – weil Kunden eben darauf ansprechen. Österreich spielt mit einem jährlichen Pro-Kopf-Konsum von 64 Kilo Fleisch in Europa vorn mit. Fleisch ist ein Lockmittel, um Leute ins Geschäft zu holen.

STANDARD: Die Schweinehaltung ist hochindustrialisiert, jeder Cent zählt ...

Hütthaler: Landwirte werden nach dem Börsenpreis bezahlt, der wöchentlich verhandelt und internationalen Preisen angenähert wird. Für Tierwohl gibt es Aufschläge von 50 Cent für das Kilo. Große Schlachthöfe exportieren 50 Prozent ihres Fleisches. Sie müssen aber auch Nebenerzeugnisse, die Österreicher nicht essen wollen, verkaufen können. Mit höheren Preisen als Deutschland wäre das schlicht nicht möglich. Dänemark und Deutschland sind die großen Player auf dem Markt. Es brauchte also ein generelles Umdenken.

STANDARD: Wie realistisch ist es, dass Bio und Tierwohl nicht nur ein Minderheitenprogramm bleiben?

Hütthaler: In der konventionellen Produktion sehe ich für mehr Tierwohl einen breiteren Markt. Aber Bio wird eine Nische bleiben. Die Masse wird immer billiges Fleisch suchen. Für ein konventionelles Schwein liegt der Börsenpreis derzeit bei 1,39 Euro für das Kilo für den Bauern. Bio ist mit 3,45 Euro mehr als doppelt so teuer. Bei der Verarbeitung potenziert sich die Differenz, man verkauft die Knochen ja nicht mit. In Summe kostet ein normales Schnitzel dann acht, neun Euro, ein Bioschnitzel kommt auf 20 Euro. Daher ist der Bioanteil mit knapp mehr als zwei Prozent auch nach wie vor so gering. Doch das ist der reelle Wert für Biolandwirtschaft, das kostet sie einfach. Bei den Rindern ist die Differenz nicht so hoch wie bei Schweinen. Sie lassen sich nicht alles gefallen.

STANDARD: Sie sprechen die Haltungsbedingungen an?

Hütthaler: Rinder steigen irgendwann auf die Barrikaden. Geht es ihnen nicht gut, wachsen sie nicht mehr und legen nicht zu. Schweine fressen und wachsen immer.

Wer ein Bio-Schnitzel will, muss das Doppelte bezahlen.
Foto: APA

STANDARD: Wäre Schweinemast in Österreich flächendeckend ohne Gentechnik-Futter möglich?

Hütthaler: Ich glaube schon. Vor zwei Jahren stand die Branche bereits kurz davor, entschied sich jedoch im letzten Moment dagegen. Es lag vielleicht an der Verfügbarkeit. Mittlerweile würde es gehen, bei Hendln funktioniert es ja auch.

STANDARD: Was halten Sie von einer Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Fleischprodukte? Die Industrie wehrt sich dagegen.

Hütthaler: Es wäre überhaupt kein Problem. Wir machen das bei fast allen unseren Produkten. Sie sind rückverfolgbar für Kunden, teils bis hin zum Bauern. Wir kaufen so viel wie möglich in Österreich ein. Putenfleisch gibt es zu wenig, da bedienen wird uns anderer Länder. Das zeichnen wir auch aus.

STANDARD: Sollte Fleisch in der Gastronomie ein Mascherl haben?

Hütthaler: Ich bin dafür, weiß aber, dass die Gastronomie dagegen ist. Über sie und Cash-and-carry-Märkte wird ein Großteil des ausländischen Fleisches vertrieben.

STANDARD: Handelsketten produzieren selbst im großen Stil Fleisch, Spar wie Rewe betreiben Fabriken. Wie viel Platz bleibt da noch für Familienbetriebe wie den Ihren?

Hütthaler: Es wird schwieriger, vor allem wenn Eigenproduktion das Maß aller Dinge wird. Es tut auch der Vielfalt nicht gut. Familienbetriebe bringen Innovationen, sind schlagfertig. Und ich finde es sympathisch, wenn man weiß, woher Lebensmittel kommen, wenn man Unterschiede sieht und sich den Berger-Schinken oder die Hütthaler-Atterseewurst kaufen kann.

Anders als Schweine lassen sich Rinder nicht alles gefallen, sagt Florian Hütthaler. "Geht es ihnen nicht gut, wachsen sie nicht mehr."
Foto: Imago

STANDARD: Händler geben zunehmend auch den Bauern die Produktionsbedingungen vor. Zu Recht?

Hütthaler: Ich verstehe, dass sich Supermärkte untereinander differenzieren müssen. Aber es ist eine Gratwanderung und funktioniert nur, solange es für die Landwirtschaft finanziell abgedeckt ist. Hat man den Druck, dass jede einzelne Minute gezählt wird, ohne jeden Spielraum, wird es schwierig.

STANDARD: Hohe Auflagen gibt es für Bio-Babynahrung. Sie liefern in Österreich einen Großteil des Fleisches für die Glaserln. Wie kam das?

Hütthaler: Das geht auf meinen Opa zurück. Es wurde damals eine große Produktion für Babykost in Österreich gebaut. Deren Eigentümer fuhr von einem Metzger zum anderen und kostete den Leberkäs. Jenen, bei dem er ihm am besten schmeckte, nahm er als Lieferanten. Das ist jetzt 50 Jahre her.

Florian Hütthaler: "Fleisch ist ein Lockartikel". Mit Lieferungen an Babykost-Hersteller koppelt er sich vom hart umkämpften Markt ab.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Sie führen Hütthaler in der vierten Generation. Wie hält man einen Betrieb 120 Jahre lang ohne grobe Blessuren zusammen?

Hütthaler: Die ersten zwei Generation legten den Grundstein, es war ein schwieriges Geschäft. Mein Großvater stürzte sich nach dem Krieg in die Gastronomie, belieferte die Wirte mit Pferdekutschen. Wer etwas hatte, konnte verkaufen. Das Problem damals war die Verfügbarkeit. Mein Vater stieg in die Supermärkte ein und wuchs mit ihnen mit. Mein Bruder, der sich in der Landwirtschaft engagiert, und ich versuchen uns nun durch andere Ansätze, wie mehr Tierwohl, von der großen Industrie zu differenzieren und unseren Platz in der Branche zu stabilisieren.

STANDARD: Sie begannen selbst als Lehrling. Bekommen Sie für die Branche ausreichend Nachwuchs?

Hütthaler: Es ist schon seit langem schwierig. Derzeit haben wir zum ersten Mal nach 120 Jahren zwei Mädchen in der Lehre; ihnen gefällt es. Aber für 15-Jährige ist der Metzger halt nicht die erste Wahl. Fleisch, Blut, Kälte – das ist das Image. Aber wer sich für den Beruf entscheidet, kann sich seinen Arbeitsplatz aussuchen und hat über Jahrzehnte hinweg den sichersten Job überhaupt. Ausgebildete Fleischer sind rar und gefragt. (Verena Kainrath, 31.3.2019)