Die Künstlerin Cristina Donati Meyer zeigt mit Plakaten in Mailand, was sie von dem Kongress hält.

Foto: imago images / Independent Photo

Verschiedene Motive ihrer Werke finden sich in den Straßen von Mailand.

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Verona wird in Italien auch die Stadt der Liebe genannt: Hier hatte Shakespeare am Ende des 16. Jahrhunderts seine Tragödie "Romeo und Julia" angesiedelt, an der Via Cappello 23 im historischen Stadtzentrum steht noch immer das – angebliche – "Haus der Julia" mit dem weltberühmten Balkon, auf dem die unglückliche Protagonistin auf ihren Geliebten gewartet haben soll. Bei der Shakespeare'schen Tragödie steht eine Liebe im Vordergrund, die gesellschaftliche Grenzen überwinden und Fesseln sprengen will.

Vielleicht ist "Romeo und Julia" deshalb die falsche Geschichte für den dreitägigen "Weltkongress für die Familie", der am Freitag in Verona beginnt. Denn die Teilnehmer wollen keine Fesseln sprengen und keine neuen Formen der Liebe und des Zusammenlebens erproben, sondern das Rad wieder zurückdrehen: Homo-Ehen, Scheidung, Abtreibung, Gender-Theorie und nicht zuletzt die Emanzipation der Frauen sind in ihren Augen gefährliche Auswüchse einer liberalen und dekadenten Gesellschaftsordnung, die nicht nur die christlichen Wurzeln des Abendlands untergräbt, sondern auch für den Geburtenrückgang verantwortlich ist, der die nationalen Volksgemeinschaften in ihrer Existenz gefährdet.

Auch Fremdenfeindlichkeit

Angemeldet hat sich in Verona unter anderen der russisch-orthodoxe Erzpriester Dmitri Smirnow. Er bezeichnet Frauen, die abgetrieben haben, als "Mörderinnen und Kannibalinnen". Auf der Rednerliste stehen auch der offen schwulenfeindliche Präsident Moldaus, Igor Dodon, sowie Lucy Akello, eine Abgeordnete des ugandischen Parlaments, die per Gesetz die Todesstrafe für "schwere Homosexualität" einführen wollte. Unter den Teilnehmern finden sich aber auch Vertreter rechtsextremer und fremdenfeindlicher Parteien aus ganz Europa, etwa der italienischen Forza Nuova und der griechischen Alba Dorata.

Der "World Congress of Families" (WCF) war 1997 von Exponenten der religiösen Rechten in den USA und ultrakonservativen Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche gegründet worden – und wird von diesen bis heute mit Millionenbeträgen finanziert. Der erste WCF fand in Prag statt; danach folgten Kongresse in Genf, Mexiko-Stadt, Warschau, Amsterdam und Madrid. Seit 2012 findet er jährlich statt. Bisher fristete die Zusammenkunft der Abtreibungsgegner und Fundamentalisten jedoch eher ein Schattendasein, trotz der Unterstützung einiger Exponenten durch die katholischen Kirche. Für den bisherigen Mainstream in der westlichen Welt war die ganze Veranstaltung einfach zu extrem, zu mittelalterlich, zu frauenverachtend.

In Italien, das seit bald einem Jahr von einer populistischen Regierungskoalition geführt wird, in der die rechtsradikale Lega von Innenminister Matteo Salvini den Ton angibt, ist dies zum ersten Mal anders. Veronas Bürgermeister Federico Sboarina – auch er von der Lega – stellt den Organisatoren gratis die "Gran Guardia" zur Verfügung, einen der imposantesten Paläste der Stadt. Luca Zaia, Präsident der Region Veneto und ebenfalls Lega-Mitglied, übernahm das Patronat über die Veranstaltung. Die Regierung in Rom ist gleich mit drei Lega-Ministern vertreten: In Verona werden Familienminister Lorenzo Fontana, Bildungsminister Marco Bussetti und, als Stargast, Innenminister und Lega-Chef Salvini ihre Aufwartung machen.

Rückkehr zur Tradition

In Rom hat die Restauration längst begonnen. Dem italienischen Parlament wurde schon letztes Jahr ein umstrittener Gesetzesentwurf vorgelegt, der darauf abzielt, Scheidungen und Trennungen möglichst hindernisreich zu gestalten – unter anderem mit der Bestimmung, wonach gemeinsame Kinder nach der Scheidung während mindestens zwölf Tagen bei beiden Elternteilen wohnen müssen, auch wenn das Kind das gar nicht will und wenn die Ehe wegen Gewalttätigkeiten in die Brüche gegangen ist. Auch das "Gesetz 194", mit dem 1978 der Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert wurde, befindet im Visier der Rechtsnationalen: Vor wenigen Tagen hat ein Lega-Abgeordneter ein Gesetz eingebracht, das es Frauen, die eine Abtreibung erwägen, als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ermöglichen soll, ihren Fötus zur Adoption freizugeben und auszutragen.

Letztlich geht es sowohl den Teilnehmern des Familienkongresses als auch der Lega um die Rückkehr zur traditionellen Frauenrolle: "Die Lega ist überzeugt, dass die Frauen eine große Mission zu erfüllen haben für die Zukunft und das Überleben unserer Nation", hieß es in einem Flugblatt, das die Jugendsektion der Lega in Crotone ausgerechnet am 8. März, dem Internationalen Frauentag, unter die Leute brachte. Mit der "großen Mission" war das Gebären und Aufziehen der Kinder gemeint. Die wahren Gegner der Frauen, hieß es in dem Flugblatt, seien jene Kreise, die die Frauen zu einer "streitsüchtigen Haltung gegenüber den Männern" ermunterten. Salvini distanzierte sich nur halbherzig von dem Machwerk: Er habe davon nichts gewusst. (Dominik Straub, 29.3.2019)