Donald Trump hat am Montag ein Dekret unterzeichnet, mit dem er die Zugehörigkeit der Golanhöhen zu Israel anerkennt. Dies ist rechtlich problematisch und politisch brandgefährlich, so Hannes Jöbstl im Gastkommentar.

Israels ruhigste Grenze

Die Golanhöhen waren lange Zeit Israels ruhigste Grenzregion. Obwohl es niemals zu einem formellen Friedensvertrag zwischen Jerusalem und Damaskus gekommen war, hatte sich der 1973 nach dem Jom-Kippur-Krieg abgeschlossene Waffenstillstand als effektiv erwiesen. Nach wie vor überwacht die UN Disengagement Observer Force (Undof) die Einhaltung des Abkommens, bis zum Abzug der Blauhelme im Jahr 2013 auch mit österreichischer Unterstützung.

Obwohl Israel die Golanhöhen nie formell annektiert hat, wurden sie 1981 israelischem Recht und israelischer Verwaltung unterstellt. Eine der wichtigsten Siedlungen auf dem Plateau, der Kibbuz Merom Golan, war sogar die erste israelische Siedlung auf besetztem Gebiet überhaupt, noch bevor sich die ersten Israelis im Westjordanland niederließen.

Blick auf den israelischen Kibbuz Merom Golan.
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Geheimverhandlungen mit Syrien

Generell ist der Golan jedoch nur spärlich besiedelt. Die wenigen nach 1967 dort verbliebenen Einwohner gehören dem Volk der Drusen an: eine arabisch sprechende Minderheit, die einen mystisch geprägten, abrahamitischen Monotheismus praktiziert. Im Gegensatz zu den Drusen in Kernisrael blieben sie Damaskus und insbesondere dem Assad-Clan treu ergeben. Mit Beginn des syrischen Bürgerkriegs und dem Erstarken radikal-sunnitischer Milizen verloren jedoch zahlreiche Drusen den Glauben an eine Zukunft in Syrien und nahmen die israelische Staatsbürgerschaft an.

Noch bis 2011 gab es regelmäßig Geheimverhandlungen zwischen Jerusalem und Damaskus, auch unter Benjamin Netanjahu. Diese hatten einen territorialen Kompromiss im Austausch gegen ein strengeres Vorgehen Bashar al-Assads gegen den Iran und die Hisbollah-Miliz zum Ziel. Nach acht Jahren Bürgerkrieg hat das Assad-Regime jedoch den Großteil seiner Legitimität verspielt. Kaum jemand rechnet daher heute noch ernsthaft mit einer vollständigen Rückgabe der Golanhöhen an Syrien.

"Der Golan gehört uns", steht am Fuße der Skulptur neben einem Porträt Assads in der syrischen Stadt Quneitra.
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Völkerrecht und Realpolitik

Was spricht also dagegen, diesen realpolitischen Umstand auch formell anzuerkennen? Sowohl die Golanhöhen als auch das Westjordanland gelten völkerrechtlich als besetzte Gebiete. Artikel 2 der UN-Charta wiederum verbietet die unilaterale Annexion fremden Territoriums. Bereits 1932 formulierte der amerikanische Außenminister Henry L. Stimson die "Stimson-Doktrin", welche besagt, dass jeder Staat unter einer Verpflichtung steht, eine illegale Annexion nicht anzuerkennen. Diese Doktrin ist heute unumstrittenes Gewohnheitsrecht und bindet auch die USA. Daran ändert auch nichts, dass die Besatzung der Golanhöhe im Sechstagekrieg 1967 aus Selbstverteidigung gegen einen Angriffskrieg entstand.

Die formelle Anerkennung israelischer Souveränität über dieses Gebiet ist aber nicht nur rechtlich problematisch, sondern auch politisch brandgefährlich. Russland verfolgte die Ankündigung Donald Trumps mit besonderem Interesse, und zwar nicht nur, weil Moskau zu den wichtigsten Verbündeten Assads zählt. Konstantin Kosatschew, Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses im russischen Föderationsrat, verkündete kurz nach Trumps Ankündigung, dass nun sämtliche US-Kritik an der russischen Krim-Annexion als plumpe Demagogie entlarvt wurde. Für Russland ist Trumps Schritt nur ein weiterer Beweis einer "westlichen Doppelmoral", die sich vom Kosovo über Libyen bis hin zur Krim zieht. Das Verhalten der USA ist daher ein genereller Schlag gegen den Erhalt einer regelbasierten Weltordnung.

US-Präsident Trump hat ein Dekret unterzeichnet, mit dem die USA Israels Souveränität über die Golanhöhen anerkennen. Das freut Israels wahlkämpfenden Premier Netanjahu.
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Des Weiteren erfolgte die Anerkennung anscheinend ohne jede Gegenleistung. Die amerikanisch-israelischen Beziehungen waren bereits zuvor auf einem Allzeithoch und hätten keiner zusätzlichen Gesten bedurft. Ausschlaggebend könnten die im April stattfindenden israelischen Parlamentswahlen gewesen sein. Netanjahu liefert sich in den Umfragen derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit seinem Hauptkonkurrenten, dem ehemaligen Generalstabschef Benny Gantz, und kann Trumps Ankündigung als eigenen Erfolg verbuchen. Auf der anderen Seite zieht Trumps Verhalten aber auch den Ärger der Golfstaaten nach sich, und das in einer Zeit, in der sich zumindest die inoffiziellen Beziehungen zwischen der Golfregion und Israel signifikant verbessert hatten.

Verspielte Pokerchips

Die Anerkennung der Golanhöhen als Teil Israels genauso wie die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt wären außerdem wichtige symbolische Pokerchips in Verhandlungen um eine umfassende Friedenslösung für die Region und mit den Palästinensern gewesen. Diese hat Trump nun ohne Gegenleistung aufgegeben, während die USA im Konflikt mit Russland weiter an moralischer Autorität verloren haben. Umso bedauernswerter ist der Umstand, dass Trump auch die Rolle der Vereinigten Staaten als neutraler Vermittler endgültig verspielt hat.

Die Vereinigten Staaten waren lange Zeit der einzige politische Akteur, der sowohl das Vertrauen Israels als auch das der Palästinenser und vieler arabischer Staaten genoss. Der Abschluss der Oslo-Abkommen und die Verhandlungen in Camp David haben gezeigt, wie wichtig diese Rolle als unparteiischer Mediator ist. Die EU wird diese Lücke nicht füllen können, sie gilt in den Augen Israels als zu palästinenserfreundlich. Mit Trumps kurzsichtiger Symbolpolitik ist eine Lösung des Nahostkonflikts daher einmal mehr ein Stück weiter in die Ferne gerückt. (Hannes Jöbstl, 27.3.2019)