Die neue Regierung unter Ministerpräsident Imran Khan hatte der Bevölkerung nach ihrem Wahlsieg im Juli eigentlich einen "islamischen Wohlfahrtsstaat" versprochen. Experten zufolge ist dies angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten unmöglich.

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Islamabad – Die seit Monaten andauernden Gespräche zwischen Pakistan und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein Hilfspaket in Milliardenhöhe gehen diese Woche in eine neue Runde. Zuletzt war im November eine IWF-Mission in dem finanziell angeschlagenen Land. Die wirtschaftlichen Probleme der südasiatischen Atommacht sind seither nicht kleiner geworden, sondern eher größer.

Laut Finanzministerium wird der neue IWF-Missionschef für Pakistan am Dienstag erwartet. Aus Sicht von Analysten zieht sich der Abschluss des Hilfspakets ungewöhnlich lange hin. Im Oktober hatte Pakistan offiziell beim IWF um weitere Hilfen gebeten. Seit 1980 stellte der IWF 13 Mal Hilfskredite für Pakistan zur Verfügung.

Nach Darstellung von Finanzminister Asad Umar haben sich die Differenzen zwischen Pakistan und dem IWF verringert. Für eine Übereinkunft seien allerdings weitere Diskussionen notwendig. Die Höhe des Pakets ist bisher unklar. Lokale Medien berichteten von einem Darlehen zwischen sieben und zehn Milliarden Dollar.

Wohlfahrtsstaat

Die neue Regierung unter Ministerpräsident Imran Khan hatte der Bevölkerung nach ihrem Wahlsieg im Juli eigentlich einen "islamischen Wohlfahrtsstaat" versprochen. Experten zufolge ist dies angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten unmöglich. Denn dafür seien erhebliche Investitionen in soziale Sicherungssysteme, Bildung oder Gesundheit notwendig, sagte Christian Wagner von der Forschungsgruppe Asien der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP): "Dazu ist momentan überhaupt kein Geld vorhanden."

Bisher konnten befreundete Staaten wie China, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate mit Finanzspritzen aushelfen und eine größere Krise abwenden. Damit kann Pakistan die Zeit bis zu einer Einigung mit dem IWF zumindest überbrücken. Sich alle paar Monate einstellige Milliardenbeträge von befreundeten Ländern auszuborgen könne keine langfristige Politik sein, sagte Wagner.

Das Land mit rund 208 Millionen Einwohnern muss strukturelle Reformen angehen, um langfristig aus der Finanzmisere zu kommen. Laut einem diese Woche von der Weltbank veröffentlichten Bericht hat die Wirtschaft des Landes das Potenzial, bis 2047 – seinem 100-jährigen Bestehen – auf zwei Billionen US-Dollar zu wachsen.

Allerdings sei das nur möglich, wenn Reformen umgesetzt werden und das Bevölkerungswachstum halbiert werde, heißt es in dem Bericht. Das Land werde heute von vier Gruppen de facto ausgebeutet: den Bürokraten, Industriellen, Großgrundbesitzern und dem Militär. Diese würden Reformen verhindern.

Defizite im Infrastrukturbereich

Zudem gibt es trotz chinesischer Investitionen weiterhin deutliche Defizite im Infrastrukturbereich sowie im Energie- und Transportsektor. Staatsunternehmen schreiben nach wie vor immense Verluste. Die Landeswährung Rupie ist überbewertet, das Leistungsbilanzdefizit gestiegen. Das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich, so dass Pakistan hinter seinen Nachbarn zurückbleibt. Auch Inflation und Zinsen steigen.

Obwohl die Steuerquote in dem Land ohnehin sehr gering ist, sanken die Steuereinnahmen. Das Steueraufkommen lag im Jahr 2018 laut Weltbank bei lediglich 13 Prozent der Wirtschaftsleistung. Nur wenige Menschen und Firmen in Pakistan zahlen überhaupt Steuern. Anfang März drohte Khan, die Steuerbehörde FBR aufzulösen und durch eine neue zu ersetzen. Er rief gleichzeitig die Bevölkerung dazu auf, Einkommen zu deklarieren und versprach, dass Steuergelder nicht missbraucht oder bei korrupten Beamten landen.

Laut dem Wirtschaftsanalysten Abid Qaiyum Suleri vom Sustainable Development Policy Institute in Islamabad, der in Khans Wirtschaftsbeirat sitzt, hat die Regierung keine große Wahl, bei wem sie sich zuerst unbeliebt mache. Sie müsse rasch Reformen in allen Wirtschaftsbereichen umsetzen und gleichzeitig versuchen, dabei so wenig politische Unterstützung wie möglich zu verlieren.

Was die Verhandlungen mit dem IWF betrifft, versuche die Regierung dem Vernehmen nach vor allem, über das Tempo der Reformen zu verhandeln. In der Vergangenheit waren Hilfen gewährt worden, Islamabad setzte die dafür gemachten Vorgaben aber nicht um.

Laut IWF-Sprecher Gerry Rice ist noch nicht absehbar, wann die Verhandlungen abgeschlossen werden können. "Wir erwarten in Kürze eine Mission nach Pakistan, aber ich kann nicht festlegen, wann sie zum Abschluss kommen werden", sagte Rice zuletzt in Washington. (APA, 24.3.2019)