Die Zeiten sind verwirrend, das Gefühl, dass sich weltweit die tektonischen Platten der Politik verschieben, befällt viele aufmerksame Bürger. Da bedarf es der Orientierung durch kundige Experten.

Eine Reihe von gescheiten Büchern hilft beim Verständnis. "Epochenwechsel" nennt Wolfgang Petritsch seine Tour d'Horizon der großen Paradigmenänderungen der letzten 15 bis 20 Jahre. Petritsch war wichtiger Mitarbeiter von Bruno Kreisky, von 1998 bis 2002 EU-Sonderbeauftragter für den Kosovo und Chefverhandler bei den Kosovo-Friedensgesprächen sowie praktisch Statthalter der internationalen Gemeinschaft in Bosnien, Botschafter bei den UN und bei der OECD in Paris, derzeit Präsident der Marshall Plan Fundation.

In seinem Buch, das den bezeichnenden Untertitel "Unser digital-autoritäres Jahrhundert" trägt, zeichnet er nach, wie die Säulen der liberal-westlichen Weltordnung zu wanken beginnen, unter anderem unter dem Ansturm der Populisten, aber fast noch mehr durch den Rückzug Amerikas und den Aufstieg eines China, das einerseits immer fordernder als asiatische Vormacht auftritt, andererseits im Inneren ein unheimliches, digital gestütztes System der totalen sozialen Überwachung und Kontrolle entwickelt.

Daten beherrschen die Welt

Beinahe erschreckend die Schlussfolgerungen: "Die Ära der Aufklärung neigt sich dem Ende zu, denn aus Menschen werden Daten und Daten beherrschen die Welt." Für Europa hält Petritsch eine Rolle bereit: "In dieser globalen Ordnung konkurrierender politischer Systeme eine liberale und demokratische Alternative zu autoritären Systemen zu bieten", indem es die europäische "smart power" ausspielt. (Wolfgang Petritsch, "Epochenwechsel. Unser digital-autoritäres Jahrhundert". € 25,- / 288 Seiten, Brandstätter-Verlag)

Wenn von China heute die Rede ist, dann immer in dem Kontext: "Was wollen die Chinesen?" Der atemberaubende Aufstieg des Landes von einem Armenhaus zur zweitgrößten Volkswirtschaft, zu einem selbstbewussten weltpolitischen Player, hat sich binnen weniger Jahrzehnte vollzogen.

Raimund Löw, der langjährige ORF-Korrespondent und nunmehrige "Falter"-Mitarbeiter, und seine Frau Kerstin Witt-Löw haben der "Weltmacht China" vor Ort bei ihrer Entstehung zugesehen und liefern in dem gleichnamigen Buch viele persönliche Eindrücke.

Die Idee, dass es der Demokratie bedürfe, um ein Land wettbewerbsfähig zu halten, scheint in China widerlegt zu sein. Löw: "In den chinesischen Eliten hat sich inzwischen die Meinung durchgesetzt, dass die Niederschlagung der Proteste (von 1989) die unvermeidliche Voraussetzung für den wirtschaftlichen Aufstieg der folgenden Jahrzehnte war."

Wenig beruhigend allerdings der Verweis auf die traditionelle chinesische Rolle, die auch heute das Denken der chinesischen Führung präge: Der chinesische Kaiser betrachtete China als Mittelpunkt der Welt. Die anderen Staaten hatten Tribut zu leisten, durften dafür aber an der ökonomischen Entwicklung teilhaben ... (Raimund Löw / Kerstin Witt-Löw, "Weltmacht China". € 24,- / 256 Seiten, Residenz)
(Hans Rauscher, 22.3.2019)