Wien – In der Mitte des Heldenplatzes ist eine kleine Tafel aufgebaut. Davor steht ein Forscher der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und erklärt ein paar Hundert Schülern und einigen Studenten, die in einem Halbkreis vor ihm am Boden sitzen, die Ursachen des Treibhauseffekts. Immer wieder stellt er Fragen an sein junges Publikum. Die meisten werden richtig beantwortet.

Die Schüler – und vereinzelt erwachsene Unterstützer – sind Teilnehmer der Aktion "Das streikende Klassenzimmer". Es ist das neue Motto der Fridays-for-Future-Organisatoren, die auch nach dem weltweiten Klimastreik am Freitag vor einer Woche mit ihrem Protest weitermachen wollen.

Dabei haben sie jetzt mit Gegenwind aus dem Bildungsministerium zu kämpfen: Dieses stellte per Erlass klar, dass die "Teilnahme an einer Schülerdemonstration" nicht als "gerechtfertigte Verhinderung" am Schulunterricht zähle. Im fraglichen Zeitraum habe deshalb regulärer Unterricht stattzufinden.

Bisher haben die Bildungsdirektionen in den einzelnen Bundesländern die Sache unterschiedlich gehandhabt. In einigen Schulen wurden die entstandenen Fehlstunden von den Klassenvorständen und Schulleitern entschuldigt. Damit soll nun Schluss sein. Im Extremfall drohen Verwaltungsstrafen.

Bildungsminister will trotzdem Partner sein

"Das ist zwar eine Katastrophe, aber davon lassen wir uns nicht unterkriegen", sagt Teilnehmerin Lena zum STANDARD. Bisher hat die streikende Schülerin in etwa sechs Fehlstunden angesammelt. "Es geht nicht ums Schuleschwänzen, sondern um Klimagerechtigkeit", sagt ihre Freundin Agnes, die bereits studiert.

Als Gegner will man sich im Bildungsministerium aber nicht verstanden wissen, sondern vielmehr als Partner, sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Auch in dem Erlass wird festgehalten: "Die Schulen als Bildungseinrichtungen sind keine Antipoden der Anliegen der Schülerinnen und Schüler, sondern wichtige Verbündete."

Der Begriff "Streik" werde deshalb irreführend verwendet, denn die Schule sei nicht die gegnerische Partei. Der Unterricht solle nicht gegen gesellschaftliches Engagement ausgespielt werden. Deshalb sollen die Demonstrationen in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden.

"Mit so viel Gegenwind aus dem Bildungsministerium haben wir nicht gerechnet", sagt Protestorganisatorin Katharina Rogenhofer zum STANDARD. Bei einem Treffen von Klimaaktivisten und Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) vor ein paar Tagen sei von der Anweisung an die Bildungsdirektionen noch keine Rede gewesen. Auch die Umweltorganisationen Greenpeace und Global 2000 üben scharfe Kritik an dem Erlass.

Die Anweisung dürfte aber ohnehin noch nicht in allen Klassenzimmern angekommen sein. Einige teilnehmende Schüler berichten, dass sie mit Erlaubnis des Klassenvorstands hier seien. Manche werden auch von den Eltern unterstützt.

Überarbeitung der Lehrpläne

Dafür haben sich die Klimaaktivisten und der Bildungsminister auf etwas anderes geeinigt: Bei der ohnehin anstehenden Überarbeitung der Lehrpläne dürfen Vertreter der Fridays-for-Future-Bewegung mitarbeiten, bestätigt das Bildungsministerium. Umwelt- und Klimaschutz sollen einen höheren Stellenwert bekommen.

Das reicht vielen Demonstranten aber nicht. Ihr Adressat ist ohnehin nicht der Bildungsminister allein, sondern die gesamte Bundesregierung: "Ich bin gekommen, weil ich für meine Zukunft kämpfe", sagt etwa die 15-jährige Poly-Schülerin Karina. Sie ist zum ersten Mal da, will aber künftig jeden Freitag kommen. "Die Politik soll uns sehen und etwas machen." (Vanessa Gaigg, 22.3.2019)