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Die Big Five im Silicon Valley – Facebook, Google, Apple, Amazon und Microsoft – sitzen auf einem Meer von Daten, geschützt werden diese bisher nur wenig.

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"Wir sind sehr sorgfältig beim Datenschutz", sagte Mark Zuckerberg voriges Jahr und erntete Lacher. Vor zehn Jahren meinte Google-CEO Eric Schmidt gar: "Wenn man etwas getan hat, was andere nicht erfahren sollen, dann sollte man sich doch zuerst einmal fragen, ob man das nicht hätte lassen sollen." Datenschutz sei nur jenen ein Anliegen, die etwas zu verbergen haben. So sehen das auch viele der jüngeren Generation. Unsere Kinder halten die Datenschutzängste ihrer Eltern für eine milde Form seniler Paranoia.

Eine Umfrage nach der anderen zeigt, wie gering das Datenschutzvertrauen der Konsumenten in Facebook, Google, Apple, Amazon und Microsoft ist. Handlungsbedarf für die Industrie? Tim Cook von Apple lieferte als Erster der Big Five seine Privacy-Predigt: Jeder habe das Recht auf minimale Speicherung privater Daten und Information über all diese, das Recht auf Zugang und das Recht auf Datensicherheit.

Facebook hatte dazu in der Vergangenheit eine lockere Position und verscherbelte die Daten seiner Kunden mehr oder weniger skrupellos. Die Liste der Privacy-Sünden des Social-Media-Giganten aus Menlo Park ist fast so lange wie die Liste sexuellen Missbrauchs der katholischen Kirche. Dennoch beruhigte der Chief Privacy Officer Rob Sherman in Stanford, dass die Geschäftsinteressen von Facebook ohnehin den vollen Datenschutz vorsehen, weil Vertrauen zentrale Geschäftsgrundlage sei.

Daten besser schützen

Wir sollten uns daher gar keine Sorgen machen. Im Februar kam dann Mark Zuckerberg: Lückenlose Verschlüsselung soll garantiert werden. Alle Daten sollen ganz sicher und superverschlüsselt gespeichert werden. Dann kann man später auch die Hände in Unschuld waschen und wie Apple 2016 Nein sagen, wenn Behörden in Strafverfahren um Hilfe bitten. Facebook ist mit seinen knapp 30 Millionen Nutzern und deren Bildmaterial in der Pole-Position bei der Gesichtserkennung, nach der NSA, CIA, FBI und Homeland Security lechzen.

Zumindest das, was Tim Cook fordert, wird Kalifornien ab 2020 ohnehin gesetzlich vorschreiben. Der "California Consumer Privacy Act", der 2018 beschlossen wurde, garantiert allen Kaliforniern das Recht zu erfahren, welche persönlichen Daten über sie gesammelt und gespeichert und wem diese zur Verfügung gestellt werden, weiters das Recht, diese Weitergabe zu untersagen und die eigenen Daten voll einsehen zu können, ohne dass man dafür zahlen muss.

Auch die EU-Datenschutz-Grundverordnung lässt die US-Amerikaner hoffen, dass auch ihre Daten künftig besser geschützt werden. Insofern kommt die Saulus-Paulus-Transformation etwas spät. Datenschutz wird zumindest in Kalifornien nicht mehr der Selbstverpflichtung der Industrie überlassen.

LSD und die Gegenkultur

Wie der Teufel gegen das Weihwasser, so wehrte sich das Silicon Valley immer gegen jede Regulierung. Das hat mit der Ideologie der IT-Industrie zu tun. David Broockman von der Stanford Business School findet frappante Widersprüche bei den Tech-Unternehmern: Sozial, weltoffen und sogar einer gewissen Umverteilung nicht abgeneigt auf der einen Seite, radikal marktliberal auf der anderen Seite.

Jonathan Pace vom Digital Civil Society Lab der Stanford University arbeitet die Geschichte dieser Ideologie gerade detailliert auf. Medien wie "Wired" und "Extropy", NGOs wie die links-libertäre Electronic Frontier Foundation und das rechts-libertäre Cato Institute, Alternativkulturfestivals wie Burning Man, Hollywoodfilme wie "War Games", "Matrix" und "Snowden2, die Scifi-Literatur von Philip K. Dick und Melissa Scott, sie alle transportieren eine Kernbotschaft: Der Staat ist böse und verdorben, seine Institutionen sind im besten Fall dumm und inkompetent.

Pace nennt diese Ideologie mit ihrer rabiaten Staatsfeindlichkeit Cyber-Libertarianism. Die Wurzeln reichen in die LSD-berauschte Hippie-Gegenkultur der 1960er-Jahre zurück. Im Unterschied zur europäischen Studentenbewegung war die US-amerikanische libertär, nicht sozialistisch. Seine ideologische Fortsetzung fand das in der Hackerkultur der 90er, im Kampf für ein freies Internet, in der Open-Source-Bewegung und jüngst im Krypto- und Blockchain-Hype. Die Grundbotschaft ist immer die gleiche: Am Technikwesen soll die Welt genesen – Technik wird Herrschaftsstrukturen überwinden, weil sie allein den perfekten freien Markt herstellen kann.

Permanente Disruption

Ganz stimmig ist der Cyber-Libertarianism freilich nicht: Bei der Hardware ein Hohelied auf das Privateigentum, bei Software, Musik, Kunst und Literatur gilt der Kommunismus ohne jedes Recht des Produzenten. Im Kern glauben die Cyber-Libertären fest an die Meritokratie: Die Smartesten kommen nach oben.

Ein Jammer bloß, dass diese dann, kaum sind sie supererfolgreich, sofort auf die dunkle Seite der Macht wechseln, ob sie nun Gates, Jobs, Page oder Zuckerberg heißen. Dagegen kann dann nur die permanente Disruption helfen – ein weiteres Versatzstück dieser gar nicht so neuen Ideologie. (Michael Meyer aus Palo Alto, 25.3.2019)