Mit Kopf und Herz in Wien angekommen: Michael Strugl, Ex-Landesrat aus Oberösterreich, werkt nun für den Verbund.

Credits: Andy Urban

Er hat sein Büro im dritten Stock der Verbund-Zentrale Am Hof in Wien. Die Wände sind frisch gestrichen und kahl. Er habe noch keine Zeit gefunden, Bilder aufzuhängen, sagt Michael Strugl, Ex-Landeshauptmannvize von Oberösterreich und seit Jänner stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Verbund. "Ich mag es eher nüchtern", sagt er.

STANDARD: Sind Sie schon mit Kopf und Herz in Wien angekommen, oder ist ein Teil von Ihnen immer noch in Oberösterreich?

Strugl: Ein Teil von mir wird immer in Oberösterreich sein, weil ich von dort herkomme. Aber ja, ich bin sowohl mit dem Kopf als auch mit dem Herzen angekommen, habe in Wien meinen Hauptwohnsitz und auch schon ein Wiener Kennzeichen am Fahrzeug.

STANDARD: Was ist der größte Unterschied zwischen Politik und Wirtschaft?

Strugl: In der Wirtschaft hat man eine unmittelbare Ergebnisverantwortung, daran wird man gemessen. In der Politik ist das viel diffuser, auch schwerer zu quantifizieren. Zudem denkt man in der Wirtschaft eher in Perioden, in der Politik muss man in Echtzeit reagieren. Die Wirtschaft ist auch rationaler, kalkulierter als Politik.

An der Ergebnisverantwortung will Ex-Politiker Michael Strugl gemessen werden ...
Fotos: Andy Urban

STANDARD: Wieso trauen Sie sich zu, ohne praktische Erfahrung ein Unternehmen wie den Verbund zu leiten, der hinsichtlich Marktkapitalisierung das wertvollste Unternehmen Österreichs ist?

Strugl: Wieso glauben Sie, dass ich keine praktische Unternehmenserfahrung habe?

STANDARD: Weil Sie bisher politisch tätig waren.

Strugl: Ich habe selbst Start-ups gegründet und geführt in der IT- und Werbebranche. Aber das ist nicht mit einem Konzern vergleichbar.

STANDARD: Das war vor Ihrer Zeit in der Politik?

Strugl: Zum Teil vorher, zum Teil parallel. Ich war für Energiepolitik und Regulatorik verantwortlich und über das Energieinstitut auch für Forschung. Die Unternehmensseite habe ich in der Energie AG Oberösterreich sehr gut kennengelernt. Zehn Jahre war ich dort Aufsichtsrat, zum Schluss Vorsitzender des Gremiums. Auch wenn Aufsicht und operative Ebene getrennt sind, atmet man das voll mit. Außerdem war ich in der Landesregierung u. a. für das Beteiligungsmanagement und die Landesholding zuständig. Ich hatte Unternehmen mit einem Gesamtumsatz von 3,5 Milliarden Euro und 20.000 Beschäftigten zu verantworten. Deshalb traue ich mir den Job zu.

STANDARD: Wie wollen Sie Kritiker Lügen strafen, die im Zuge Ihrer Bestellung zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden von Postenschacher gesprochen haben?

Strugl: Man soll mich an meiner Arbeit messen. Wie ich das Wirtschaftsressort in der Landesregierung übernommen habe, gab es ähnliche Stimmen, man sagte, der hat ja kein Unternehmen. Nach einigen Jahren war die Resonanz dann eine ganz andere.

... und an seiner Arbeit, grünen Strom zu produzieren.

STANDARD:In welche Richtung möchten Sie Verbund verändern?

Strugl: Verbund hat ein erfolgreiches Geschäftsmodell als Erzeuger. 95 Prozent des Stroms kommt aus erneuerbaren Quellen. Das reicht für die Energiewende aber nicht. Wir wollen bis 2030 acht bis neun Terawattstunden dazu bauen, das sind 4400 Megawatt an zusätzlicher Leistung. Das ist unser Beitrag, um das klimapolitische Ziel der Bundesregierung, nämlich 100 Prozent des in Österreich benötigten Stroms bilanziell aus erneuerbaren Quellen zu schaffen, auch zu erreichen.

STANDARD: Sind die 51 Prozent Republikanteil am Verbund fast 20 Jahre nach der Liberalisierung der Strommärkte noch zeitgemäß?

Strugl: Meiner Meinung nach schon, weil die Stromversorgung standortrelevant ist und die Interessen eines Staates, eines Landes mit den 51 Prozent gewahrt werden. Das hat schon seinen Wert und seine Berechtigung.

STANDARD: Eine Eon oder RWE fahren doch auch ganz gut mit weniger öffentlichem Anteil?

Strugl: Das ist für deutsche Verhältnisse möglicherweise richtig, aber auch dort gibt es intensive Diskussionen, weil die regulatorische und die unternehmerische Seite nicht immer gut synchronisiert sind.

STANDARD: Beim Verbund kommt hinzu, dass Wiener Stadtwerke, EVN und Tiwag zusammen 32 Prozent halten, die alle selbst im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand stehen. Der Streubesitz beläuft sich gerade einmal auf 17 Prozent.

Strugl: Man sieht umgekehrt an Privatisierungen in anderen Ländern wie den USA, dass das durchaus Probleme nach sich ziehen kann, wenn in die Infrastruktur nicht mehr investiert wird, weil die Renditen nicht mehr darstellbar sind. Dann haben sie das Problem veralteter Infrastruktur und ein hohes Blackout-Risiko.

Schwierige Eigentümer sieht Neo-Verbund-Vorstandsdirektor Michael Strugl als Herausforderung, den Staat als Aktionär als Vorteil.

STANDARD: Der mit Jahresende in Pension gegangene Johann Sereinig hat dem Vernehmen nach an die 700.000 Euro an nichtkonsumiertem Urlaub ausbezahlt bekommen. So etwas ist wohl nur in einem teilstaatlichen Unternehmen möglich?

Strugl: Das betrifft die Zuständigkeit des Aufsichtsrats und ist obendrein vor meiner Zeit entschieden worden.

STANDARD: Sie werden als Nachfolger von Wolfgang Anzengruber an der Verbundspitze gehandelt, wenn dieser Ende 2020 ausscheidet.

Strugl: An Spekulationen bin ich seit meiner Zeit in der Politik gewöhnt. Faktum ist, dass Wolfgang Anzengruber einen Vertrag hat, Faktum ist auch, dass dann der Aufsichtsrat im Zuge einer Ausschreibung entscheiden wird, wie und von wem das Unternehmen weitergeführt wird. Ich habe einen Fünfjahresvertrag mit einer klar zugewiesenen Verantwortung, darauf konzentriere ich mich, und dort möchte ich auch meine Leistung bringen. (Günther Strobl, 21.3.2019)