Hugo Le Brigand experimentiert mit politisch besetzten Luststäben.

Foto: Sebastiano Sing

Das vom Wiener Brut Theater veranstaltete Festival Imagetanz feiert den ganzen März hindurch sein 30-jähriges Jubiläum. Bisher standen teils recht feuchtfröhliche Performance-Marotten auf dem Programm: Walgesänge zum Beispiel oder eine Hinterteilrevolution im Atelier Augarten, das sich als Veranstaltungsort für Kleinformatiges gut eignet.

Zu den Vaginalgesängen mit Adele-Playback des Kollektivs Henrike Iglesias zum Auftakt passten bisher hervorragend erstens das Popo-Solo "sans culottes" des Franzosen Robyn/Hugo Le Brigand und zweitens ein Stimmtauchgang unter dem Titel "wet dreaming at 52 Hz" von dem US-Amerikaner Alex Franz Zehetbauer.

Le Brigand hatte eine Vorversion seines Stücks bereits bei Imagetanz 2018 gezeigt. Unter dem Motto "The Rise of Robyn" sprang er damals ein wenig durch den Raum und steckte sich ein paar schmelzende Dildos aus blauem Wassereis in den Anus. Jetzt heißt die formal nicht wesentlich veränderte Performance "sans culottes" und ist mit einem begleitenden Kontext ausgestattet: Französische Revolution! Da gab es die Sansculottes-Bewegung wirklich.

Sachen zum Lachen

Unter Culottes sind die Kniehosen des Adels zu verstehen, die werktätige Klasse aber trug demonstrativ ihre langen Beinkleider zur Schau, die sich für das Arbeiten eigneten. Mit Unterwäsche, wie im Imagetanz-Programmheft behauptet, hatte das aber nichts zu tun. Offenbar brauchte Le Brigand einen politisch klingenden Vorwand, um unten ohne auftreten und dabei zeigen zu können, dass er seinen eisgekühlten Schließmuskel hurtig an- und entspannen kann. Eine schrullige, durchaus sympathische Show, die zwar keine Sekunde lang etwas mit Aufstand oder Arbeiterschaft zu tun hatte, das Publikum aber da und dort zum Lachen brachte.

Lustige Momente gab es auch in Alex Franz Zehetbauers feuchtem Traum von Walen. Die oft mit Walgesängen verbundene Esoterik wich walmäßigem Planschen in einem kleinen runden Badepool. Als Performer, der in die Haut eines Meeressäugers schlüpft, ist Zehetbauer eher ein Kleinstwal. Aber auch als solcher und mit einem Mikro ausgestattet, ahmt er unter Wasser ganz nett das Rufen der Riesentiere nach.

Walfasching und Schnorchelgesang

Sobald der Künstler seinem Bad entsteigt und sich ein schillerndes Plastikschürzerl anzieht, kommt zur Mensch-Tier-Verquickung auch eine Genderkomponente dazu. Schön gewesen wäre ein bisschen Dramaturgie, weil auch der bemühteste Walfasching trotz anrührender Songs irgendwann verödet, wenn bloß ein Gag über den anderen schwappt: vom Blink-Blink-Schürzerl über Walflossen-Imitationen und einem (leider völlig verpatzen) Fischvideo bis hin zu Schnorchelgesang.

Da die Performancewelle der vergangenen Jahre gerade wieder im Abflauen ist, schaut der Tanz wieder vorbei. Bei Imagetanz war das zum Beispiel in einer vielversprechenden Studiopräsentation zu erkennen, die Inge Gappmaier unter dem Titel "protect." zeigte. Dabei geht es um das isolierte Subjekt in seiner (medialen) Selbstbetrachtung – für das soziale Medien zu algorithmengesteuerten "Spiegeln" werden. Imagetanz-Zwischenbilanz: erträglich. (Helmut Ploebst, 20. 3. 2019)