Der Dokumentarfilm "Gehört gesehen" porträtiert den Radiosender Ö1.

Foto: Diagonale, NGF

Wecker, Dusche, Frühstück, Ö1-Morgenjournal. Notwendige und liebgewonnene Routine; die Nachrichtensendung aber auch gleichermaßen Anker wie Leuchtturm in bewegten Zeiten. Am Mittwoch wettert Orbán drei Minuten lang gegen die Europäische Volkspartei. Weitere drei Minuten für die Bromance von US-Präsident Donald Trump mit seinem brasilianischen Spezi Jair Bolsonaro. Der Rückschlag für den Pharmariesen Bayer im Glyphosat-Prozess bekommt zwei Minuten. Selbst schuld, hätten sie sich nicht Monsanto geschnappt.

Die Rechtswidrigkeit der Kettenarbeitsverträge an den Unis: Vier sehr gut gestaltete Sendungsminuten. "Danke, dass ihr das aufgreift!", ruft der ehemalige prekär arbeitende Uni-Assistent beim zweiten Espresso.

Dann ein Drei-Minuten-Schwenk auf den Widerstand gegen die automatische Erhöhung der Parteienförderung sowie ein Beitrag über Landwirte, die die Ernteverpflichtung von Flüchtlingen kritisieren. Unglaublich, was man so in zwei Minuten unterbringen kann. Da passt irgendwie komisch, aber doch die Story über die Grünen-Kandidatin, Starköchin und Landwirtin Sarah Wiener dazu, die gegen EU-Förderungen ist.

Rasch jetzt, es wird knapp für die Kultur! Und da ist sie schon: Zelebriert wird Gehört gesehen. Das ist, wie wir hören, ein Dokumentarfilm über den Radiosender Ö1 – und "wohlgemerkt kein Auftragswerk", wie die Moderatorin sich zu beteuern beeilt. Autsch!

Achteinhalb Minuten später – also so lange wie Orbán, Bolsonaro und Glyphosat zusammen – wissen wir, wie toll der Sender ist. Stimmt eh, darum hören ihn viele auch täglich und zahlen sogar gern Gebühren. Aber: Too much is too much – mit Auftrag oder ohne. (Gianluca Wallisch, 20.3.2019)