Bild nicht mehr verfügbar.

Should he stay or should he go? EU-Fahnen haben Seltenheitscharakter bei Viktor Orbáns öffentlichen Auftritten.

Foto: REUTERS/Bernadett Szabo

Am Mittwoch will der Vorstand der Europäischen Volkspartei (EVP) in Brüssel darüber entscheiden, wie die konservative Parteienfamilie mit ihrem Problem-Mitglied aus Ungarn umgehen soll. 13 Mitgliedsparteien – vor allem aus den Beneluxstaaten und Skandinavien – fordern den Ausschluss oder die Suspendierung der Fidesz-Partei des in seinem Land zunehmend autoritär regierenden Premiers Viktor Orbán. Letzter Stein des Anstoßes war eine Plakatkampagne in Ungarn, die den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und den hinter ihm grinsenden US-Investor George Soros als angebliche Organisatoren der illegalen Migration diffamierte.

ORF

Orbán, der bei der entscheidenden Vorstandssitzung selbst das Wort ergreifen will, steht unter immensem Druck. Denn die EVP-Mitgliedschaft verlieren will er eigentlich nicht. Sie gewährt ihm Schutz auf europäischer Ebene sowie das Image der Zugehörigkeit zu einer starken und moderaten Parteiengruppe, der ja auch die ÖVP sowie CDU und CSU angehören. Orbán profitiert von wertvollen Netzwerken der Brüsseler Politik und sitzt mit am Tisch der Mächtigen, obwohl – wie Beobachter meinen – ihn sein in Reden und Taten praktizierter Rechtspopulismus und seine Nähe zu Russlands Präsident Wladimir Putin schon in eine Gesinnungsgemeinschaft mit Parteien wie der FPÖ, der deutschen AfD, der italienischen Lega oder dem französischen RN manövriert haben.

Halbherzige Entschuldigung

Insofern gab Orbán gegenüber zwei von drei Forderungen nach, die ihm EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) als Bedingung für den Verbleib in der Parteienfamilie gestellt hatte: Der Ungar ließ die Anti-Juncker-Plakate entfernen und brachte eine halbherzige Entschuldigung über die Lippen, nachdem er seine Kritiker in der EVP in einem Zeitungsinterview als "nützliche Idioten" des politischen Gegners beschimpft hatte.

Die dritte Forderung ist ein härterer Brocken: Weber hatte nämlich auch verlangt, dass die von Soros gegründete Central European University (CEU) in Budapest weiterhin amerikanische Diplome vergeben kann.

Von Orbán initiierte Gesetze, die dies künftig verhindern sollen, haben dazu geführt, dass die CEU notgedrungen schrittweise nach Wien umzieht. Jene Lehrgänge, die ab dem Studienjahr 2019/20 US-Abschlüsse ausstellen, können nur in Wien starten. Theoretisch hätte Orbán die Macht, die gesetzlichen Grundlagen oder auch nur die Umsetzung durch die zuständigen Verwaltungsbehörden so zu ändern, dass die CEU mit ihren amerikanischen Lehrgängen in Budapest bliebe. Doch wahrscheinlich ist das nicht. Der Rechtspopulist hat den ungarischen Holocaust-Überlebenden Soros über Jahre hindurch und mit zum Teil antisemitischen Verschwörungstheorien dermaßen zum Feindbild aufgeblasen, dass ein substanzielles Nachgeben in der CEU-Frage für Orbán einem massiven Gesichtsverlust gleichkäme.

Deshalb lässt der Regierungschef seine Anhänger darauf einstimmen, dass es mit dem Verbleib des Fidesz in der EVP wohl nichts werden wird. Da werden beispielsweise pompöse Forderungen verkündet, obwohl die Orbán-Partei derzeit nicht gerade in der Position ist, um Forderungen zu stellen. So erklärte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás am Montag: "Wir wollen eine starke, einheitliche und christlich-demokratisch inspirierte EVP sehen, die die illegale Migration ablehnt, und solange es dafür gute Chancen und eine Hoffnung gibt, wollen wir in der EVP verbleiben."

"Zwerge mir geblähter Brust"

Zugleich stellen die Kommentatoren der von Orbán kontrollierten Medien den Abgang des Fidesz aus der EVP als folgerichtig und wünschenswert dar. Die EVP sei längst nicht mehr die alte, ist da zu lesen; sie sei nicht mehr konservativ und christlich, sondern sei im liberalen und linken Mainstream aufgegangen. Die CDU als ihre stärkste Kraft trage heute "das Stigma der wahnsinnigen 'Willkommenskultur' von Merkel, aber ohne Merkels Charisma", befand am Dienstag der Leitartikel des Orbán-Sprachrohrs Magyar Nemzet.

Bei den kleineren EVP-Parteien, die die Fidesz besonders scharf kritisieren, handle es sich wiederum um "Zwerge mit geblähter Brust" – so viel zählt offenbar Orbáns Entschuldigung wegen der "nützlichen Idioten". (Gregor Mayer aus Budapest, 19.3.2019)