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Seit dem Doppelmord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová vor einem Jahr brodelt es in der Slowakei.

Foto: AP Photo/Darko Vojinovic

Wenn nicht etwas ganz Unerwartetes passiert, dürfte die 45 Jahre alte Bürgerrechtsanwältin und linksliberale politische Quereinsteigerin Zuzana Čaputová mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am 30. März zur ersten Staatspräsidentin der Slowakei gewählt werden. Mit 40,6 Prozent der abgegebenen Stimmen in der ersten Runde hat sie den mit einem Stimmen anteil von 18,7 Prozent zweitplatzierten Kandidaten der sozialdemokratischen Regierungspartei, den langjährigen EU-Kommissar Maroš Šefčovič, klar geschlagen. Čaputovás Programme von grundlegenden Justiz- und Verwaltungsreformen, ihre proeuropäische Kampfansage an die politische Korruption könnten trotz des repräsentativen Charakters des Präsidentenamtes eine überfällige Wende in der slowakischen Geschichte einleiten.

Das für fünf Jahre direkt gewählte Staatsoberhaupt spielt nämlich nicht nur im Fall einer Regierungskrise oder nach einer Parlamentswahl eine Schlüsselrolle. Es beruft und entlässt auch die Verfassungsrichter, den Generalstaatsanwalt und den Gouverneur der Zentralbank. Darüber hinaus kann ein Präsident mit einer reinen Weste und mit aussagekräftigen Stellungnahmen die Außen- und Gesellschaftspolitik zumindest indirekt beeinflussen. Čaputová hatte schon am Vorabend der Wahl angekündigt, dass sie "eine aktive Präsidentin sein wird, die alle Befugnisse maximal ausschöpfen will".

Brodeln in der Slowakei

Seit dem Doppelmord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová vor einem Jahr brodelt es in der Slowakei. Hunderttausende Menschen demonstrierten Woche für Woche auf den Straßen, und der Aufschrei von unten erzwang den Rücktritt der seit zwei Jahrzehnten beherrschenden Figuren des Landes, des Ministerpräsidenten Robert Fico, seines in Bestechungsaffären verstrickten Innenministers Robert Kaliňák und des Polizeichefs. Die Welle der Empörung gegen den Mafiastaat trug die bisher unbekannte Bürgeraktivistin und Vizepräsidentin der Ende 2017 gegründeten liberalen Partei Progressive Slowakei als Hoffnungsträgerin an die Schwelle der Präsidentschaft.

Was sich in dem Land der fünf Millionen Slowaken und der rund einer halben Million starken ungarischen Minderheit abspielt, dürfte auch in den Nachbarländern wie Polen oder Ungarn das Aufbegehren der Menschen gegen korrupte und repressive Strukturen beflügeln. Wenn sich auch die Lage von Land zu Land unterscheidet, zeigen doch die wöchentlichen Massendemonstrationen in Serbien und die Zusammenstöße in der albanischen Hauptstadt Tirana die Stärke der Protestbewegungen gegen die Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat.

Die "starken Männer" in Budapest, Warschau und Belgrad setzen darauf, dass die Opposition jeweils gespalten und ohne glaubwürdige neue Hoffnungsträger auftritt. So hatte sich wohl auch Fico in Bratislava anfänglich Hoffnungen auf den Machterhalt gemacht. Für ihn und wohl auch für andere kompromittierte und korrupte Führungsfiguren gilt aber die Feststellung des großen französischen Denkers Paul Valéry (1871–1945): Jeder Herrscher wisse, wie zerbrechlich die Autorität von Herrschern sei – nur in Bezug auf die eigene wisse er es nicht. (Paul Lendvai, 18.3.2019)