Im Eiltempo hat sich Neuseelands Regierung im Grundsatz auf eine Änderung – sprich: Verschärfung – der Waffengesetze des Landes geeinigt. Wie Premierministerin Jacinda Ardern am Montag erklärte, müssten die Einzelheiten aber noch ausgearbeitet werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der Besitz von halbautomatischen Waffen verboten oder stark eingeschränkt, wie dies im Nachbarland Australien schon seit 20 Jahren der Fall ist. In Neuseeland kann bisher jeder über 16 Jahre alte Bürger nach einer einfachen Prüfung solche Waffen erwerben.

Inzwischen wurde bekannt, dass Brenton T., der mutmaßliche Mörder von 50 Menschen in Christchurch, seine Waffen legal über das Internet in einem neuseeländischen Geschäft gekauft hatte – mithilfe eines Waffenerwerbscheins. Laut David Tipple, dem Besitzer des Waffenladens Gun City, sei der Versand regelkonform und über ein von der Polizei geprüftes System abgewickelt worden.

T., ein 28-jähriger Fitnesstrainer aus der australischen Kleinstadt Grafton, scheint die Angriffe auf zwei Moscheen allein durchgeführt zu haben, informierte Polizeichef Mike Bush am Montag. Drei weitere am Freitag verhaftete Personen stünden nicht in Verbindung mit den Verbrechen. Bush wollte jedoch noch nicht ganz ausschließen, dass T. doch Komplizen hatte. Über 200 Beamte arbeiteten an den Ermittlungen, unter ihnen Polizisten in Australien und Agenten der US-Bundespolizei FBI. Die australische Polizei stürmte am Montag zwei Gebäude, die offenbar von Familienangehörigen des Verdächtigen bewohnt werden.

Täter verteidigt sich selbst

Der gebürtige Australier hat inzwischen seinen vom Staat zur Verfügung gestellten Pflichtverteidiger entlassen: T. wolle sich vor Gericht selbst verteidigen, berichtete die Zeitung New Zealand Herald. Sein Ex-Anwalt Richard Peters meinte, T. "schien zu verstehen, was los ist", als er ihn nach der Tat am Freitag konsultiert habe. Der Anwalt will keine Anzeichen für eine geistige Beeinträchtigung oder Krankheit festgestellt haben. Experten fürchten, dass der Beschuldigte einen öffentlichen Prozess nutzen könnte, um seine rechtsextreme Ideologie zu verbreiten, wie es beispielsweise auch der norwegische Attentäter Anders Breivik versucht hatte.

Jugendlicher angeklagt

T. hatte am Freitag kurz vor der Tat eine 74-seitige Hetzschrift an eine Reihe von Empfängern versandt, unter ihnen auch Premierministerin Ardern. Zudem hatte er die Bluttat mit einer Helmkamera gefilmt und live im Internet verbreitet. Ein 18-jähriger Neuseeländer, dem vorgeworfen wird, das Video geteilt zu haben, musste sich am Montag vor dem Untersuchungsrichter in Christchurch verantworten. Ein Antrag auf Kaution wurde abgelehnt, da der Mann "Aufrufe zu extremer Gewalt" publiziert habe, so der Richter. Er soll ein Foto einer der angegriffenen Moscheen ins Netz gestellt haben mit der Bemerkung "Ziel erfasst". Der Mann sei aber an der Bluttat vom Freitag nicht beteiligt gewesen.

Das Verbrechen von Christchurch hat unter Kommentatoren in Neuseeland und Australien Kritik an der Arbeit von Polizei und Geheimdiensten aufkommen lassen. So wurde die Befürchtung geäußert, die Behörden hätten sich in den vergangenen Jahren primär auf potenzielle Terroristen mit islamistischem Hintergrund konzentriert – und dabei die Gefahr, die aus rechtsextremen Kreisen kommt, vernachlässigt.

Experten in Australien meinten am Montag, die meisten rechtsextremen Kriminellen arbeiteten als sogenannte "lone wolfes" – Einzeltäter, die ohne formale Unterstützung einschlägiger Gruppen Taten planen und ausführen. Sie radikalisierten sich in der Regel selbst in einschlägigen Chatforen im Internet. (Urs Wälterlin aus Canberra, 18.3.2019)