Kontrollpunkt passiert, der Chip hat ihn registriert: Orientierungsläufer Jannis Bonek kann sich getrost weiteren Anlaufstellen im Gemüse zuwenden.

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Jannis Bonek strebt bei der Junioren-WM in Dänemark eine Medaille an.

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Es wäre eine Übertreibung zu behaupten, dass Jannis Bonek schon Orientierungsläufer war, ehe er gehen konnte – und auch wieder nicht. Denn familiärer Bestimmung kommt man nicht so einfach aus, überhaupt, wenn dem natürlichen Bewegungsdrang eine derartige Entfaltungsmöglichkeit geboten wird.

Schon ein Großvater des Wieners übte den Sport aus, der sich längst von seinen militärischen Wurzeln gelöst hat und neben Athletik einen wachen Geist erfordert, selbst noch am Rande der Erschöpfung. "Am Anfang läuft man Fähnchen an einer Schnur nach", erinnert sich Jannis Bonek an seinen Karrierebeginn im Kleinkindalter. Mit seiner Cousine Jasmina, aber schon ohne Elternbegleitung, absolvierte er erste, einfache Kurse im Wald, "wir waren acht, neun Jahre alt".

Zehn Jahre später zählt Jannis Bonek (19) zu den Besten einer kleinen, feinen österreichischen Szene. Mutter Claudia trainiert den hochaufgeschossenen Burschen, der sich in seiner Altersklasse durchaus mit der weltweiten Elite messen kann. Im Vorjahr belegte Jannis Bonek bei der Junioren-WM in Ungarn als bester Österreicher Rang sechs über die Langdistanz.

Wobei im Orientierungslauf weniger die Distanz als die vermutliche Laufzeit im Vordergrund steht – das liegt in der Natur des Sports, also am zu bewältigenden Gelände. Das war etwa bei der WM im Raum Kecskemét sehr offen und flach. Bonek benötigte für 15 Kilometer rund 75 Minuten.


Jannis Bonek unterwegs mit Helmkamera.
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Deutlich erschwert wird das Vorankommen durch 20 bis 30 Kontrollpunkte, die mittels einer besonders detailgenauen, topografischen Spezialkarte (für Langstrecken in 1:15.000) und eines Daumenkompasses laufend ausfindig zu machen sind. Eine Lupe hilft beim Kartenlesen, ein mitgeführter Chip registriert das Passieren des Kontrollpunktes in bis zu 20 Zentimeter Entfernung. Abkürzungen gibt es nicht, das Auslassen auch nur eines Kontrollpunktes zieht nämlich die Disqualifikation nach sich.

Wohl gibt es im Orientierungslauf überragende Pfadfinder und großartige Läufer, die Mischung macht aber den erfolgreichen Sportler. Das perfekte Lesen des Geländes spart Zeit. "Ob ich jetzt eine Baumgruppe links oder rechts passiere, macht einen Unterschied", sagt Jannis Bonek, Einschätzungsfehler kosten ihn leicht fünf bis zehn Sekunden – bei Kilometerzeiten von fünf Minuten ist das nicht unerheblich.

Daheim kann Bonek nicht mehr an seiner Technik feilen, den Wald vor seiner Haustür am Rande Wiens könnte er auch mit verbundenen Augen flott durchlaufen. Viel gebracht hat ihm ein halbes Jahr in Uppsala, Schweden, wo er ein spezialisiertes Gymnasium besuchte. Die skandinavischen Länder, Finnland, die Schweiz und Österreichs östliche Nachbarn beherrschen den europäischen Orientierungslauf.

Das Trockentraining

Jannis Bonek läuft für die Naturfreunde Wien, vor allem aber für den Orienteringsklubben Linné in Uppsala, einen der großen schwedischen Vereine – trotz eines Vertrages für noch nicht viel mehr als Spesen. "Für diesen Verein läuft man nicht wegen des Geldes." Wohl aber wegen der Trainingsmöglichkeiten und der Zukunftsaussichten. Der OK Linné ruft nach Jannis Bonek, wenn Staffeln zu stellen sind für die großen schwedischen Events mit 15.000 bis 20.000 Teilnehmern. "Ich bin knapp dran am ersten Vereinsteam", sagt Österreichs Staffelmeister, der Profi ist und von seinem Sport eine Zeitlang auch leben können möchte.

Das ermöglicht derzeit sein Status als Militärperson auf Zeit. Orientierungsläufer sind im Heeressportleistungszentrum Seebenstein stationiert, Jannis Bonek hirscht aber eher selten durch die Wälder der Buckligen Welt, zumal außerhalb der Saison. Trainingsaufenthalte im Süden sind unabdingbar, Orientierungsläufer zieht es nach Spanien oder Portugal, auch "weil es da gute Karten gibt". Das Studium von Karten und die Festlegung von Strecken ist gewissermaßen das Trockentraining, das Lauftraining umfasst wöchentlich 15 bis 20 Stunden, wobei die Qualität der Laufkilometer deutlich wichtiger als deren Quantität ist.

Derzeit gilt die Vorbereitung der Junioren-WM in Silkeborg, Dänemark, am 8. Juli strebt Jannis Bonek eine Medaille an. Das Gelände, in dem es um diese Medaille gehen wird, ist für die Teilnehmer im Vorfeld bis zu drei Jahre tabu. "Unser Sport ist sehr auf Fairplay angewiesen, denn kontrollierbar ist das nicht leicht." Dass der Wienerwald dem dänischen Forst ähnelt – Mischwald mit wenig Unterholz, kurze, steile Anstiege und Grabensysteme -, ist für den 1,95 Meter hohen Athleten aus Neustift am Walde gewiss kein Nachteil. Auch das ist familiäre Bestimmung, wenn man so will. (Sigi Lützow, 19.3.2019)