Die Wiener Komponistin und Klangkünstlerin Elisabeth Schimana umgibt sich mit wenigen Möbeln, die sie an den äußersten Zimmerrändern arrangiert. Nur der Teppich darf das Nichts in der Raummitte stören.

"Eigentlich mag ich Grün nicht so. Aber mit dem Geschenk der Wiener Künstlerin Julia Seyr hat sich das geändert. Ich habe mich in dieses grüne Gemälde, das sie während ihrer Studienzeit an der Akademie gemalt hat, auf Anhieb verliebt. Es würde mich irritieren, mich mit Kunst zu umgeben, die mir in ihrer Autorenschaft fremd ist. Ich brauche den Künstler, die Künstlerin dazu. Das Kunstwerk muss mich in seinem Kontext und seiner Geschichte ansprechen.

"Das absolute Nichts gibt es nicht, denn überall fliegen die Teilchen herum. Das ist eh schon ein Kompromiss." Elisabeth Schimana in ihrem Wohnzimmer.
Foto: Lisi Specht

Während ich in Kunst- und Schönheitsfragen intuitiv und spontan bin und mich von meinem Gefühl leiten lasse, ist es bei der Auswahl der Möbel umgekehrt. In erster Linie muss ein Möbelstück funktional, am besten multifunktional sein. Erst dann kommt das Design. Ich würde mir niemals ein Möbel reinstellen, das ich nicht brauche. Alles, was hier steht, ist in gewisser Weise unentbehrlich. Damit erklärt sich, warum ich trotz der guten Wohnungsgröße von 54 m² nur wenige Einrichtungsgegenstände besitze.

Es gibt ein Schlafsofa, das mit einem Handgriff blitzschnell in ein Bett umgebaut werden kann, einen verschiebbaren Barwagen, der zugleich als Couchtisch dient, und einen alten, ziemlich uralten Stahlrohrfreischwinger, den meine Gäste gerne nutzen, weil sie vom gut erhaltenen Originalzustand angetan sind. 2002 habe ich den Stuhl beim Musikprotokoll in Graz für eine Musikperformance namens sitting in my chair verwendet. Wenn ich den Stuhl heute anschaue, dann überlagert sich das reale Bild mit dem Erinnerungsbild von damals.

Fotos: Lisi Specht

Eine Eigenheit von mir ist: Ich brauche Raum, viel Raum! Ich brauche das Gefühl, dass ich mich jederzeit auf den Boden legen und mich herumwuzeln könnte. Ich tue das zwar nicht, aber ich will es tun können wollen, wenn mir danach wäre. Die Sehnsucht nach diesem Freiraum äußert sich auch darin, dass die Möbel alle an der Wand picken. Die Raummitte ist leer. Die Kunstwerke an den Wänden hängen meist ziemlich nah an der Ecke. Die Wandmitte ist also auch leer. Und sogar der Blick aus dem Fenster muss leer sein. Ich wohne in der Gablenzgasse im 15. Bezirk in einem wunderschönen Jugendstilhaus, und direkt in der Fensterachse meines Wohnzimmers breitet sich die Liebhartsgasse aus. Ich sehe hinauf bis zum Kahlenberg. Alles ist frei, frei, frei.

Warum in meinem Wohnzimmer die Mitte leer ist? Weil auch in meinem Leben die Mitte immer leer ist. Wo schon etwas ist, kann nichts Neues mehr entstehen. Wo hingegen noch nichts ist, können Dinge geboren werden. Nur aus der Leere kann man schöpfen. Auch in der Arbeit muss ich mit meinen Gedanken immer wieder zum Nichts, zur absoluten Stille kommen – auch wenn es physikalisch betrachtet das absolute Nichts eh nicht gibt, denn überall fliegen Teilchen herum. Das ist eh schon ein Kompromiss.

Fotos: Lisi Specht

Das Einzige, was in meiner Wohnzimmermitte sein darf, ist der russische Teppich von einem Markt in Moskau. Auf den ersten Blick wirkt er regelmäßig, aber wenn man genauer hinschaut, merkt man, wie lebendig und unterschiedlich er ist. Ich kann mich an der Lektüre dieser Unregelmäßigkeiten nicht sattsehen. Ich könnte stundenlang sitzen und nur schauen, und jedes Mal entdecke ich ein neues Detail.

Ich habe einen Wunsch für die Zukunft. Ich wünsche mir, dass wir alle uns bald einmal dazu aufraffen können, eine ökologische und soziale Revolution anzuzetteln, denn wir sind drauf und dran, unseren Planeten und unsere gesellschaftlichen Strukturen zu zerstören und kaputtzudigitalisieren. Wenn diese große Revolution nicht bald kommt, werden wir in hundert Jahren mit Atemschutzmasken zu Hause sitzen und hoffen, tot zu sein. Ich bin froh, dass ich das nicht mehr werde miterleben müssen." (18.3.2019)