Aufnahme einer Sonneneruption, die zu geomagnetischen Stürmen führen kann. Wissenschafter stießen in Grönland auf Indizien eines bisher unbekannten Extremereignisses.

Kommt es auf der Sonne zu Eruptionen, dann können sie bei entsprechender Heftigkeit auch auf der Erde Schaden anrichten: Es entstehen Schockwellenfronten des Sonnenwinds, die in gut 24 Stunden die Erde erreichen. Die energiereichen geladenen Teilchen durchdringen selbst das schützende Erdmagnetfeld und stören hier Satelliten, Telekommunikationssysteme und sogar die Stromnetze.

Der bisher mächtigste Sonnensturm, der genau genommen als geomagnetischer Sturm bezeichnet wird, wurde in der Nacht vom 1. zum 2. September 1859 registriert und ging als Carrington-Ereignis in die Geschichte ein. Damals kam es zu Polarlichtern, die selbst in Rom, in Havanna und auf Hawaii – also äquatornahe – beobachtet werden konnten und nicht nur, wie sonst üblich, jenseits des Polarkreises. Zum Glück gab es damals noch keine Satelliten und moderne Telekommunikationssysteme.

Knapp am Atomkrieg vorbei

Der stärkste mit halbwegs modernen Instrumenten gemessene Sonnensturm erreichte die Erde am 23. Februar 1956. Welche indirekten Folgen solche Ereignisse haben können, zeigte sich im Jahr 1967, als ein magnetischer Sturm zu Störungen der Radaranlagen des US-Raketenfrühwarnsystems führte und beinahe einen Atomkrieg auslöste.

Doch wie heftig können solche Solarstürme tatsächlich werden? Und war es nur Zufall, dass wir in den letzten Jahrzehnten von extrem starken Schockwellenfronten verschont blieben – so wie am 23. Juli 2012, als ein solarer Supersturm von der Heftigkeit des Ereignisses von 1859 die Erde nur knapp verfehlte?

Neuerliche Spurensuche

Ein Forscherteam um Paschal O'Hare (Universität Lund) ging diesen Fragen systematisch nach und kam zu einem bedenklichen Ergebnis: Es finden sich, wenn man nur mit den richtigen Methoden an den richtigen Stellen sucht, tatsächlich Spuren von weitaus heftigeren geomagnetischen Stürmen.

Mustard

Ein guter Indikator ist eine erhöhte Konzentration des Kohlenstoffisotops C-14 in Jahresringen von Bäumen. Auf diese Weise ließ sich rekonstruieren, dass die Erde im Jahr 775 und im Jahr 993/994 heftigen geomagnetischen Stürmen ausgesetzt war. Doch O'Hare und sein Team dürften nun auf Spuren eines noch heftigeren Treffers gestoßen sein, wie sie im Fachmagazin PNAS berichten: Vor exakt 2.679 Jahren dürfte die Erde einem solaren "Supersturm" ausgesetzt gewesen sein. Darauf deuten jedenfalls abrupte Anstiege des Kohlenstoff-14-Gehalts in Baumringen, aber auch erhöhte Werte der Isotope Beryllium-10 und Chlor-36 in einem Eisbohrkern aus Grönland hin.

Verräterische Signale

Wie die Forscher schreiben, ähnelt der Beryllium-10-Anstieg in seiner Form stark denen der beiden extremen Sonnenstürme in den Jahren 775 und 994. Zudem seien damals alle drei Isotope zur gleichen Zeit sprunghaft angestiegen. Diese Ergebnisse sprechen ihrer Ansicht nach klar dafür, dass damals ein extrem starker Strom energiereicher geladener Teilchen die Erde traf. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass dabei rund 20 Milliarden energiereiche Protonen pro Quadratzentimeter auf die Erde einströmten. Damit sei dieses Ereignis rund zehnmal so stark gewesen wie der Sonnensturm vom 23. Februar 1956.

Das heißt zum einen, dass es zumindest drei historische Sonnenstürme gab, die jene des 20. und bisherigen 21. Jahrhunderts bei weitem übertreffen. Zum anderen bedeuten diese Erkenntnisse ganz praktisch, dass wir uns künftig viel besser gegen solare Stürme schützen sollten, wie der Koautor Raimund Muscheler betont. Denn wenn ein Sonnensturm wie der vor 2.679 Jahren heute auftreten würde, hätte das unabsehbare Folgen für unsere Hightech-Gesellschaft, die ohne funktionierende Stromnetze und Telekommunikation nicht mehr denkbar ist. (Klaus Taschwer, 13.3.2019)