Zwei Mutationen sind verantwortlich für LilBubs Aussehen.
Foto: lilbub.com/Mike Bridavsky

Bisweilen hat man den Eindruck, dass das World Wide Web ausschließlich von "Cat Content" regiert wird – also von Katzen in allen Lebenslagen. Die Zahlen untermauern diese Wahrnehmung durchaus: Laut einer 2015 erschienenen Statistik existierten damals mehr als zwei Millionen Katzen-Videos auf Youtube. Heute dürften es wohl bedeutend mehr sein. Eine der zahllosen Berühmtheiten, die der anhaltende Hype um die weltweit beliebtesten Haustiere hervorgebracht hat, heißt Lil Bub und sammelte nicht zuletzt wegen ihres markanten Äußeren Millionen Follower hinter sich.

Die Katze sieht auch tatsächlich ungewöhnlich aus. Lil Bub war von Geburt an sehr klein, bereits im Alter von sieben Monaten endete ihr Wachstum. Ihre Schnauze ist verkürzt, ihre Zunge hängt heraus und an jeder Pfote hat sie zusätzliche Zehen. Außerdem wurde bei ihr die "Marmorknochen-Krankheit" (infantile maligne Osteopetrose) festgestellt, eine seltene Erkrankung, bei der die Knochendichte mit zunehmendem Alter immer weiter zunimmt. Gerade wegen dieser Eigenheiten finden Millionen Fans im Internet Lil Bub niedlich. Die Bekanntheit nutzen ihre Besitzer unter anderem, um Geld für Tierheime und Tierschutzorganisationen zu sammeln und Katzen in Not zu helfen.

Video: Lil Bub
The Humane Society of the United States

Jetzt haben drei Genetikerinnen und Genetiker aus Deutschland und den USA Lil Bubs Genom untersucht. Die Analyse ergab, dass die Katze zwei unterschiedliche seltene Veränderungen in ihrer DNA trägt. Eine ist für die Entwicklung der zusätzlichen Zehen (Polydaktylie) verantwortlich, die andere für die Knochenerkrankung (Osteopetrose), aus der auch ihre geringe Größe und kurze Schnauze resultiert.

Per Crowdfunding zur Genom-Sequenzierung

Die Molekularbiologinnen und –biologen Darío G. Lupiáñez (Berliner Institut für Medizinische Systembiologie am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, Berlin), Daniel Ibrahim (Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin) und Orsolya Symmons (University of Pennsylvania, Philadelphia, USA) stießen zufällig im Internet auf eines der Videos der Katze. Die Forschenden vermuteten, dass Lil Bubs außergewöhnliche Erscheinung durch ähnliche genetische Veränderungen verursacht sein könnte wie bei den Patientinnen und Patienten sowie Mäusen, mit denen sie sich beschäftigen.

"Entwicklungsprozesse wie die Knochenbildung sind bei Säugetieren konserviert. Das heißt, sie verlaufen bei allen Arten sehr ähnlich", sagt Ibrahim. "Die Mutationen zu identifizieren, die Bubs Phänotyp zugrunde liegen, könnte uns daher helfen, diese seltenen Erkrankungen auch beim Menschen besser zu verstehen." Lil Bubs Besitzer Mike Bridavsky war von der Idee durchaus angetan und stellte eine Blutprobe für die Untersuchung zur Verfügung. Anschließend wendeten sich die drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Öffentlichkeit und sammelten im Rahmen eines Crowdfunding-Projekts namens "LilBUBome" mehr als 7.000 Euro.

Von Anfang an informierte das Team mithilfe eines eigens dafür eingerichteten Blogs und Social Media die Öffentlichkeit über die Fortschritte der Arbeit und die dabei auftretenden Probleme. Dabei lief das Projekt parallel zu den eigentlichen Arbeiten, bei denen die drei Forschenden seltene Erkrankungen beim Menschen und die Regulation von Genen erforschen.

Hinweise auf Lil Bubs Herkunft

Noch bevor sie das Genom sequenzierten, machten Lupiáñez, Ibrahim und Symmons eine vorbereitende Analyse. Sie stellten fest, dass die zusätzlichen Zehen der Katze durch eine bereits bekannte genetische Variante verursacht werden, die die Regulation des sogenannten Sonic Hedgehog-Gens kontrolliert. Eine identische Variante dieses Gens haben auch die Katzen des Schriftstellers Ernest Hemingway. Sie sind dafür berühmt, dass sie sechs Zehen an ihren Vorderpfoten haben. Etwa fünfzig Nachkommen dieser Katzen leben immer noch im Ernest Hemingway Museum in Key West, Florida. "Das ist sehr aufschlussreich. Lil Bub ist eine Waise, sie wurde als verwildertes Kätzchen im ländlichen Indiana gefunden. Aber obwohl wir keinerlei Informationen über ihre Herkunft haben, gibt uns die in ihrem Genom enthaltene Information Hinweise zu ihrer möglichen Herkunft und zu ihrer entfernten Verwandtschaft", sagt Symmons.

Die genetische Veränderung zu finden, die Lil Bubs Osteopetrose verursacht, dauerte etwas länger: Eine erste Auswertung ihres Erbmaterials ergab etwa sechs Millionen möglicher Unterschiede zwischen Lil Bubs Genom und dem Katzen-Referenzgenom. Normalerweise hätten die Forschenden in einem zweiten Schritt Lil BUBs Genom mit dem ihrer gesunden Verwandten verglichen – doch das war in diesem Fall nicht möglich. "Aber wir hatten das große Glück, mit Genetikerinnen und Genetikern zusammenzuarbeiten, die auf Erkrankungen des Skelettsystems beim Menschen spezialisiert sind", sagt Ibrahim. "Sie haben uns dabei geholfen, die immense Menge an Varianten auf eine überschaubare Zahl an potenziell krankheitsverursachenden Veränderungen zu verringern. Diese konnten wir dann einzeln untersuchen."

Fehlender Buchstabe

Bei der Analyse dieser Daten fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schließlich heraus, dass eine einzelne Base in einem Gen namens RANK/TNFRSF11A fehlte, das für die ordnungsgemäße Funktion der Osteoklasten erforderlich ist. Dies ist eine der zwei Zelltypen, die für den lebenslangen Umbau der Knochen erforderlich sind. Durch die Mutation entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Knochenbildung und Knochenabbau, so dass letztlich zu viel und zu dichtes Knochengewebe gebildet wird. Menschliche Patientinnen und Patienten sowie Mäuse mit einer vergleichbaren Veränderung dieses Gens zeigen Symptome, die denen von Lil Bub sehr stark ähneln.

Um die Ergebnisse zu überprüfen, verglich das Team sie mit Daten aus dem 99 Lives Consortium, einer Datenbank, die genomische Informationen von über 100 Katzen enthält. Sie konnten bestätigen, dass die gefundene Veränderung bei keiner der anderen Katzen nachgewiesen worden war. "Auf der Basis dieser Informationen können wir mit großer Sicherheit sagen, dass die von uns gefundene Mutation tatsächlich die Ursache für Lil BUBs Osteopetrose ist", sagt Lupiáñez. "Allerdings könnten weitere genetische Veränderungen zu bestimmten Aspekten ihres Phänotyps beitragen. Vielleicht haben wir diese bei unserer Analyse übersehen", sagt Symmons.

"Daher würden wir uns über jedes zusätzliche Paar Augen freuen, das sich Lil Bubs Genom ansieht. Wir hoffen sehr, dass weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unterschiedlichem Erfahrungsschatz und Expertise mit an diesem gemeinschaftlichen Projekt teilnehmen werden." Um dies zu ermöglichen, haben die Forschenden ihre Ergebnisse auf der Pre-Print-Plattform "BioRxiv" veröffentlicht und damit allgemein zugänglich gemacht. Im nächsten Schritt wollen sie ihre Arbeit einem Peer-Review-Prozess unterziehen und in einem Open-Access-Journal veröffentlichen. (red, 12.3.2019)