1.328-mal wurden im Vorjahr Verfahren nach dem Verbotsgesetz eröffnet.

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Wien – Mit einem 65-jährigen Pensionisten ging es am Neujahrstag 2018 durch. Weil die Mutter des Neujahrsbabys Kopftuch trug, schimpfte er auf Facebook: "Für jedes österreichische Baby werden sechs muslimische Jihadisten geboren." Am Wiener Landesgericht versicherte er am Montag zwar: "Ich liebe Muslime. Ich lebe mit Muslimen. Ich habe nie Muslime beleidigt." Der Mann fasste aber dennoch, nicht rechtskräftig, sechs Monate auf Bewährung wegen Verhetzung aus.

Mehr als 1.000 Verfahren

Das Verfahren ist typisch für die Entwicklung der vergangenen Jahre. Vor allem Hasspostings im Netz beschäftigen die Justiz immer häufiger. Im vergangenen Jahr wurden erstmals mehr als tausend Verfahren wegen des Verdachts auf Verhetzung eröffnet, zeigt die Antwort des Justizressorts auf eine parlamentarische Anfrage der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz. Das bedeutet immerhin eine Verdoppelung binnen weniger Jahre.

Der Verhetzung macht sich schuldig, wer zu Gewalt gegen Minderheiten auffordert, zu Hass gegen diese aufstachelt, diese öffentlich beschimpft, herabwürdigt oder verächtlich macht. Der Strafrahmen liegt bei bis zu zwei Jahren Haft. Wird die Hetze einem breiten Publikum zugänglich gemacht (rund 150 statt "nur" 30 Personen), dann drohen bis zu drei Jahre Haft.

Rückgang bei Verurteilungen

Allerdings: Bei den Verurteilungen gab es nach dem Rekordjahr 2017 zuletzt einen deutlichen Rückgang – von 119 auf 72. Aber wie passt das zusammen? Immer mehr Verfahren, und trotzdem wieder weniger Schuldsprüche?

Eine wirkliche Erklärung hat das Justizressort dafür nicht, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärt. Aber eine Vermutung: Es gebe immer mehr Verfahren mit Auslandsbezug, vor allem bei Verhetzung im Internet.

Auslandsbezug

In diesen Fällen muss dann geklärt werden, ob es ein Rechtshilfeersuchen an ausländische Behörden gibt oder ob diese überhaupt die Strafverfolgung übernehmen können. Das dauert und führt dazu, dass mehr Verfahren länger offen bleiben. Dadurch könne es sein, dass es kurzfristig zu weniger Verurteilungen kommt, meint die Ressortsprecherin. Man müsse das aber über einen längeren Zeitraum beobachten, um gesicherte Aussagen treffen zu können.

Eines lässt sich aber schon seit geraumer Zeit beobachten: Nur ein kleiner Teil der Verfahren endet mit einer Anklage. Häufig müssen Verfahren abgebrochen, ausgeschieden oder eingestellt werden.

Das zeigt sich auch bei den Verfahren nach dem Verbotsgesetz, das sowohl den Versuch der Wiedererrichtung der NSDAP als auch jede andere Wiederbetätigung im "nationalsozialistischen Sinn sowie die Leugnung und gröbliche Verharmlosung von NS-Verbrechen unter Strafe stellt.

138 Verurteilungen

Wie bei der Verhetzung gibt es auch beim Verbotsgesetz Jahr für Jahr eine steigende Zahl an Verfahren. Im Vorjahr waren es 1.328. Verurteilungen gab es in diesem Jahr exakt 138. Das ist zwar ein neuer Rekordwert (im Jahr davor waren es 113), aber eben trotzdem nur ein Bruchteil aller Fälle. Mehr als 700 Verfahren wurden im Vorjahr eingestellt, wobei das aber natürlich nicht alles Fälle sein müssen, die im selben Jahr eröffnet wurden.

Zu Diversion wird übrigens nicht besonders häufig gegriffen: Im Zusammenhang mit dem Verbotsgesetz gab es 24 Fälle, bei Verhetzung 29 Fälle.

Nicht im Detail auswerten kann das Justizministerium die genaueren Motive zu den Tathandlungen, also wie viele Verfahren beispielsweise einen antisemitischen oder islamophoben Hintergrund haben. Zahlreiche Fragen dazu wurden vom Ressort von Josef Moser daher nicht beantwortet. (Günther Oswald, 11.3.2018)