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"Es bräuchte Hochhäuser für die Produktion von Lebensmitteln"

Die neuen Stadtbauern

Man könnte Urban Agriculture einfach mit "Landbau in der Stadt" übersetzen, doch das geht am Kern der Sache vorbei. Denn hinter dem Schlagwort stecken zwei unterschiedliche Dinge: Da sind einerseits Urban Gardeners, also Stadtmenschen, die sich ihre Tomaten, Chilis und Karotten selbst anbauen. Sie garteln am Wiener Donaukanal, am ehemaligen Berliner Flughafen Tempelhof oder auf ihren eigenen Dächern. Es geht ihnen natürlich ums selbstgezogene Gemüse – aber auch um eine Lebenseinstellung.

Im Gegensatz dazu stehen jene "Stadtbauern", die möglichst viele Lebensmittel auf möglichst wenig Fläche in der Stadt produzieren wollen. Anders als die Urban Gardeners ziehen sie dabei alle technischen Register: Ihre vertikalen Garten sind in mehrstöckigen Gebäuden mitten in der Stadt angelegt, abgeschirmt von der Natur. Sie brauchen keine Erde, keine Pestizide und keine Sonne – LEDs bestrahlen die Pflanzen, computergesteuerte Belüftungs- und Bewässerungssysteme sorgen für ein ideales Klima. Das alles benötigt Strom. Zu viel Strom, wie einige Experten kritisieren. Die eingesparten Transportwege könnten den Energieverbrauch der "Farmscraper" nicht wettmachen – und sie verbrauchen wertvolle Stadtfläche. (pp)

Foto: iStock/linephoto

Gemüse wächst im Laden

Von zartlila Licht bestrahlt, wachsen in riesigen mehrstöckigen Glasschränken sanft Kräuter und Salatpflanzen heran. Die Kunden legen die Pflanzen mitsamt den Wurzeln in ihre Einkaufskörbe. In einigen deutschen und französischen Supermärkten ist das bereits Realität. Und wenn es nach dem Berliner Start-up Infarm geht, soll das sogenannte Vertical Farming direkt in Geschäften und Restaurants die Zukunft des städtischen Nutzpflanzenanbaus sein.

Die Lieferwege seien dadurch auf ein Minimum reduziert, sagen die Betreiber. Der Energieaufwand falle ebenfalls viel geringer als im traditionellen Anbau aus. Die Hightech-Farmen bieten die optimale Umgebung für unterschiedliche Pflanzensorten, exotische wie heimische, auf den Einsatz von Pestiziden wird verzichtet.

Rund 600 verschiedene Samen hat Infarm im Sortiment. Das Wachstum der Pflanzen wird genau beobachtet und analysiert. Gemüse wird zweimal in der Woche geerntet, die Kräuter bietet man mit der Wurzel zum Verkauf an. Und der Preis ist nicht höher als jener für herkömmlich angebaute Pflanzen. (os)

Foto: infarm

Apps statt Verschwendung

Durchschnittlich wirft jeder Wiener und jede Wienerin jährlich rund 40 Kilogramm Lebensmittel weg. Lebensmittel, die man getrost noch hätte essen können. Ähnliche Zahlen gibt es für jede westliche Großstadt.

Waren es anfangs einzelne engagierten Lebensmittelretter, die aus Mistkübeln Essbares fischten, gibt es inzwischen Apps und Unternehmer, die daraus ein Geschäftsmodell entwickelt haben. Too Good To Go zum Beispiel informiert über überschüssiges Essen am Ende der Wertschöpfungskette, in Restaurants oder Bäckereien. Per App erfährt man etwa, wo es in der Nähe gerade stark reduzierte Mahlzeiten gibt.

Das Wiener Unternehmen Unverschwendet verarbeitet gute Lebensmittel, die schon für den Mistkübel vorgesehen waren. Überschüssiges Obst und Gemüse von Bauern wird zu Marmeladen, Chutneys und Sirupen verarbeitet. Die Lebensmittel kriegen die Jungunternehmer entweder kostenlos oder zu einem kostendeckenden Beitrag. (os)

Foto: Wastedive

Hydrokulturen für daheim

Ein sogenannter vertikaler Garten kann in Zukunft auch in der eigenen Küche oder neben dem Bürotisch entstehen.

Das Wiener Unternehmen Ponix System setzt auf Hydroponik. Das ist eine Form von Hydrokultur, bei der Pflanzen in Wasser Wurzeln bilden, ganz ohne Erde. Das Unternehmen bietet Hängeregale an, die man sympathischerweise "Herbert" genannt hat, außerdem eine Vielzahl von Samen und Zubehör für die eigene Hydrokultur daheim.

Hilfe bei der Aufzucht von Austernpilzen bietet in Wien die Firma Hut und Stiel. "Pilze aus dem Kübel" heißt das Starter-Set, das Pilzmyzel und Behälter beinhaltet. Der Kaffeesatz aus der eigenen Küche wird flugs zum Nährboden. (os)

Foto: Ponix System

Die Imker vom Dach

5000 Bienenvölker – also bis zu 200 Millionen Bienen – leben in Wien. Sie wohnen bei 700 Imkern im Stadtgebiet, ihre Stöcke stehen aber auch auf den Dächern von Hotels, auf dem Rathaus oder der Staatsoper.

Die Beuten, wie die Imker die Bienenwohnungen nennen, sind in der Stadt gut mit Honig gefüllt. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass Bienen in der Stadt oft produktiver und gesünder sind als ihre Genossen auf dem Land. Deren Speiseplan ist wegen der dort häufig vorkommenden Monokulturen oft unausgewogen, und sind die Pflanzen einmal verblüht, herrscht Hungersnot. Der Einheitsnektar ist häufig auch noch mit Pestiziden verwürzt.

In der Stadt hingegen blüht immer irgendetwas, gespritzt wird kaum. Immer mehr vor allem junge Menschen schließen sich dem Trend an und halten Bienen. Die Imkerkurse sind gut gebucht. Wer die Insekten im eigenen Garten beobachten will, kann sich unter anderem bei Rent-a-Bee gegen ein paar hundert Euro eine Beute in den Garten stellen lassen. Den Honig darf sich der Mieter gönnen. (pp)

Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Kooperativ essen

Wer einmal seine Lebensmittel über eine Food-Coop bezogen hat, will es sich gar nicht mehr anders vorstellen. Saisonales direkt vom Bauern aus der Region. Verpackungsfrei. Keine Quengelzone an der Kassa, die Kinder in Versuchung führt und Eltern in den Wahnsinn treibt. Man weiß, woher das kommt, was man täglich isst, trinkt und konsumiert oder auch wer es wie produziert hat. Man trifft Menschen, die ähnlich ticken und auch keine Lust haben, beim Lebensmitteleinkauf die Supermärkte mitschneiden zu lassen.

Klar, Food-Coop bedeutet Arbeit. Oder eher Engagement. Man bringt sich ein, übernimmt Aufgaben wie das Betreuen von Produzenten, nimmt Waren entgegen, hält Kontakt zu den Herstellern, besucht regelmäßig Plenen. Doch der zeitliche Aufwand ist relativ, bedenkt man, was man dafür bekommt: Vertrauen in Herkunft und Qualität der Produkte, keine Mogelpackungen und keinen Plastikwahnsinn, dafür Nachhaltigkeit und Vertrauen. Und nicht zuletzt persönliche Kontakte, im besten Fall Freundschaften mit Gleichgesinnten, Produzentinnen und Produzenten sowie mit Bauern und Bäuerinnen. (lima)

Foto: APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner