Da der soziale Status der Mäusemännchen unter anderem durch die genetische Qualität beeinflusst wird, gehen die Wissenschafter davon aus, dass die Ausscheidung der Harnproteine für die Weibchen ein zuverlässiger Indikator dafür ist, wie es um die Gene ihrer potenziellen Partner steht.

Foto: K. Thonhauser/Vetmeduni Vienna

Wien – Männliche Hausmäuse zeigen ein äußerst territoriales Verhalten. Besetzen sie ein neues Areal, markieren sie es sogleich mit Urin, in dem sich auch zahlreiche Pheromone befinden. Bei dominanten Männchen, also gleichsam bei den "Nagetier-Machos", führt dies zu einem willkommenen Nebeneffekt: Die Tiere weisen einen wesentlich höheren Fortpflanzungserfolg auf. Woran das liegt, haben nun Wissenschafter von der Veterinärmedizinischen Universität Wien herausgefunden. Anscheinend werden die weiblichen Mäuse von der Duftnote der Machos, die gegenüber untergeordneten eine viel höhere Anzahl Pheromone produzieren, weitaus stärker angezogen.

Männliche Hausmäuse produzieren wie auch andere Wirbeltiere verschiedene Pheromone. Diese teils flüchtigen und teils länger beständigen chemischen Signale zeigen eine starke Wirkung auf die Physiologie und das Verhalten von Weibchen im Zusammenhang mit Reproduktion. Die nun im Fachjournal "Scientific Reports" erschienene Studie der Vetmeduni Vienna liefert den Beleg, dass sich weibliche Hausmäuse vom Geruch dominanter Männchen angezogen fühlen.

Sexy Duftnote

Seit längerem ist bekannt, dass männliche Hausmäuse ihre Territorien mit Urin markieren, der mit einer Vielzahl an Pheromonen angereichert ist. Das Forschungsteam unter Leitung von Dustin Penn fand nun heraus, dass männliche Mäuse die Ausscheidung der wichtigsten Harnproteine (MUPs) mehr als verdoppeln, nachdem sie ein Gebiet erobert hatten und sozial dominant wurden. MUPs binden und stabilisieren die Freisetzung von flüchtigen Pheromonen, und einige MUPs zeigen selbst pheromonale Eigenschaften. "Wir führten im Zuge der vorliegenden Studie auch Geruchstests durch und stellten fest, dass begattungsbereite weibliche Mäuse stärker vom Duft dominanter als untergeordneter Männchen angezogen wurden. Fortpflanzungstechnisch inaktive Weibchen zeigten diese Präferenz der Duftmarken dagegen nicht", so Penn.

Um herauszufinden, durch welche Verbindungen sich Weibchen so stark angezogen fühlen, führten die Wissenschafter zusätzliche Analysen durch. Dabei stellten sie fest, dass dominante Männchen die Ausscheidung bestimmter MUPs – einschließlich des Pheromons MUP20 (Darcin) – und eines flüchtigen Pheromons, das die weibliche Reproduktionsphysiologie und das Fortpflanzungsverhalten beeinflusst, differenziert erhöhen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass männliche Hausmäuse, sobald sie territorial und sozial dominant geworden sind, die Menge und die Art der ausgeschiedenen MUPs nach oben regulieren", sagt Penn. "Das erhöht die Intensität flüchtiger Stoffe und die Attraktivität ihres Harngeruches für sexuell aufnahmefähige Weibchen."

Sozialverhalten verändert Genexpression

Die vorliegende Studie ist die erste, die für Säugetiere nachweist, dass dominante, territoriale Männchen die Pheromonproduktion erhöhen. "Dieses Ergebnis ist ein faszinierendes Beispiel dafür, wie Änderungen im Sozialverhalten die Genexpression beeinflussen können. Die vorliegenden Resultate sind für Verhaltensbiologen von großem Interesse, insbesondere hinsichtlich der chemosensorischen Kommunikation", so Penn.

Die flüchtigen Pheromone, die die Fortpflanzungsphysiologie und das Verhalten von Weibchen beeinflussen, werden von Proteinen, den sogenannten "Major Urinary Proteins" (MUPs), die von 21 MUP-Genen codiert werden, zum Urin transportiert. MUP-Gene werden hauptsächlich in der Leber produziert und im Urin ausgeschieden.– Die Forschenden überraschte es nicht, dass männliche Mäuse eine so große und im Vergleich zu den Weibchen viel größere Menge an Protein erzeugen. MUPs transportieren nicht nur Pheromone in den Urin, sie stabilisieren auch deren Ausscheidung für das Setzen der Duftmarken. Ohne diesen Mechanismus würden sich die außerhalb des Körpers freigesetzten Pheromone rasch verflüchtigen.

Bei Menschen ist das MUP-Gen inaktiv

Als eine ihrer Funktionen wirken MUPs anziehend auf Weibchen – insbesondere MUP-20, auch bekannt als Darcin, nach Mr. Darcy in Jane Austens romantischem Roman "Stolz und Vorurteil". Da sich weibliche Mäuse lieber mit sozial dominanten Männern paaren, ging das Forschungsteam davon aus, dass Männchen die Menge an MUPs regulieren, die sie produzieren, um für ihren sozialen Status zu werben und Frauen anzuziehen. Eine Hypothese, welche durch die vorliegende Studie bestätigt wurde. Menschen scheiden übrigens keine MUPs aus. Sie verfügen zwar in gewisser Weise über ein MUP-Gen im Genom, dieses ist jedoch lediglich ein nicht-funktionales Pseudogen und damit im übertragenen Sinn "tot".

Es sind nun weitere Studien erforderlich, um die genauen Mechanismen zu untersuchen, durch die dominante Mausmännchen diese Pheromone regulieren und wie diese den Paarungserfolg beeinflussen. Da der soziale Status von männlichen Hausmäusen durch phänotypische und genetische Qualität – z. B. Inzucht – beeinflusst wird, legen die nun gewonnenen Ergebnisse nahe, dass die MUP-Ausscheidung für weibliche Hausmäuse ein zuverlässiger Indikator der genetischen Qualität ihrer potenziellen Partner ist. (red, 10.3.2019)