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Die Juristin und Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi, international bekannt durch die Verfilmung eines ihrer bekanntesten Fälle.

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Mädchen und Frauen tragen in Äthiopien die Hauptlast der täglichen Arbeit.

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Im Jahr 2014 sorgte bei der Berlinale ein Film für Aufsehen, der wegen seiner offenen und kritischen Benennung von frauenfeindlichen Traditionen, Unterdrückung von Frauen und diskriminierender Rechtsprechung hoch gelobt wurde. "Das Mädchen Horut" (Originaltitel "Difret") erzählt die Geschichte eines 14-jährigen äthiopischen Mädchens, das ihren Entführer und Vergewaltiger in Notwehr tötet und dafür wegen Mordes angeklagt wird. Fast ohne Chancen auf einen Freispruch – denn in Äthiopien ist die Entführung zum Zwecke der Eheschließung zu diesem Zeitpunkt noch erlaubt.

Die Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi übernimmt im Film über ein von ihr gegründetes Netzwerk (Ethiopian Women Lawyers Association, EWLA), das mittellosen Frauen und Kindern kostenlosen Rechtsbeistand gewährt, ihre Verteidigung. Mutig wehrt sie sich gegen alle Schikanen von Polizei und männlichen Regierungsvertretern. Mit dem Fall von Horut setzt sie alles auf eine Karte. Sie schafft letztlich einen juristischen Präzedenzfall, in dem das Recht gegen alte Traditionen siegt. Das sensible Porträt eines Landes im Umbruch, in der Amtssprache Amharisch gedreht und produziert von Angelina Jolie, beruht auf einer wahren Begebenheit.

Die im Film porträtierte mutige Anwältin Ashenafi ist real und eine der angesehensten Juristinnen des Landes. Seit 1. November 2018 hat sie als erste Frau den Vorsitz des Obersten Gerichtshofs in Äthiopien inne. Und sie ist nicht die einzige Frau, die von dem neuen Premierminister Ahmed Abiy in Schlüsselpositionen berufen wurde. Abiy, der jüngste Regierungschef Afrikas, kommt zwar aus dem alten System, hat sich aber glaubhaft als Reformer in Szene gesetzt und damit nicht nur in Äthiopien für Aufbruchsstimmung gesorgt.

Aufbruch durch Abiy

Abiy tritt gegen starke, auch innerparteiliche Widerstände für Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit ein und hat das Kabinett geschlechterparitätisch besetzt. Unter anderem leiten Ministerinnen die Schlüsseldepartements Verteidigung sowie Handel und Industrie. Im Oktober wurde die Diplomatin Sahle-Work Zewde zur Präsidentin des Landes gewählt. Ein wichtiges Signal für ein Land, in dem die Frauen zwar die meiste Arbeitslast tragen, jedoch vor allem auf dem Land kaum Anteil an der Macht haben.

Das zu akzeptieren fiel der heute 54-jährigen Ashenafi immer schon schwer. Schließlich würden junge Frauen in Äthiopien "die Hälfte des Himmels halten", wie sie es selbst formuliert. Mit vier Brüdern und vier Schwestern in Assoa, einer entlegenen Gegend im Westen Äthiopiens, aufgewachsen, galt in ihrer gutsituierten Familie Bildung auch für die Töchter als wichtiges Gut. Für diese Chance auf Bildung werde sie ihren Eltern immer dankbar sein, betont Ashenafi in vielen Interviews. Bildung sieht sie auch als wichtigsten Schlüssel zur Entwicklung der äthiopischen Gesellschaft.

Schon während ihres Jusstudiums in Addis Abeba und auf der University of Connecticut in den USA setzte sie sich für Menschenrechte ein. Ihre Abschlussarbeit behandelte die Afrikanische Charta der Menschenrechte. Anfang der 1990er-Jahre war Ashenafi dann auch an der Ausarbeitung der Nachbürgerkriegsverfassung Äthiopiens beteiligt, die die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Rechte von Frauen zumindest de jure garantierte und diskriminierende Gesetze im Familien-, Straf-, Pensions- und Staatsbürgerschaftsrecht strich.

Ashenafi gründete die Vereinigung der äthiopischen Rechtsanwältinnen mit – und eine Bank, deren Schwerpunkt auf der Unterstützung von Unternehmerinnen liegt. Vor allem dient sie in Äthiopiens immer noch durch und durch patriarchalisch organisierter Gesellschaft als Vorbild für junge aufstrebende Frauen. Ashenafi hat mit ihrem Ehemann, dem Wissenschafter Araya Asfaw, zwei Töchter.

Viel zu tun

Als Oberste Richterin kann Ashenafi die Dinge in ihrem Sinne weiter beeinflussen. Von wirklicher Gleichstellung ist Äthiopien – das weiter mit schwerer Lebensmittelknappheit und ethnischer Gewalt konfrontiert ist – freilich noch weit entfernt, vor allem in den armen Bevölkerungsschichten. Die langsam erfolgende Gleichstellung kommt bisher vor allem den Eliten in der Hauptstadt zugute. So sind Kinderehen in vielen Landesteilen weiter die Regel. Sogenannte Brautentführungen, wie die im Film "Das Mädchen Horut" beschriebene, gehören nach wie vor nicht der Vergangenheit an. Das Mädchen selbst wurde noch Jahre nach dem Prozess von der Familie ihres Peinigers bedroht. Zumindest sind aber nun ein paar Weichen gestellt. (Manuela Honsig-Erlenburg, 8.3.2019)

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