Die Proteste in London gegen den bevorstehenden Brexit halten an. Gerade viele Junge sind gegen einen Austritt aus der Europäischen Union.

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Eigentlich könnte sich Malte Laub auf seine Doktorarbeit konzentrieren, die er in den nächsten Monaten abgeben will. Aber es gibt derzeit ein anderes Thema, das ihn beschäftigt: der Brexit. Der 30-jährige Deutsche ist seit 2015 PhD-Student am King's College in London im Fach politische Ökonomie. Wie andere fürchtet er, dass sich die Bedingungen für EU-Bürger verschlechtern, wenn Großbritannien aus der Union austritt.

Aktuell studieren laut Higher Education Statistics Agency 139.000 EU-Bürger in Großbritannien, knapp 2000 davon sind aus Österreich. Derzeit sind sie Einheimischen gleichgestellt: Sie haben denselben Zugang zu Förderungen und Studienkrediten, zahlen deutlich weniger Studiengebühren als Studenten aus Drittstaaten. Verlieren sie mit dem Brexit diesen Sonderstatus?

Der britische Bildungsminister Damian Hinds bemühte sich im Jänner darum, die Befürchtungen zu zerstreuen. Er kündigte an, dass jene, die bereits studieren oder im Herbst 2019 ihr Studium beginnen, auch weiterhin dieselben Studiengebühren wie britische Kommilitonen zahlen. Das sind 9250 Pfund (umgerechnet rund 10.800 Euro) pro Jahr. Die Gebühren für Studierende aus Drittstaaten, etwa aus China oder den USA, sind doppelt so hoch.

Die Regeln für angehende Studierende, heißt es von der österreichischen Botschaft auf STANDARD-Anfrage, hängen von den künftigen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien ab. Im schlimmsten Fall werden sie behandelt wie Studierende aus Drittstaaten: Sie bezahlen höhere Gebühren, können keinen Studienkredit mehr beantragen und brauchen höchstwahrscheinlich ein Visum.

Aus für den Austausch?

Ein beliebter Weg zum Studium in Großbritannien war bisher auch das Austauschprogramm Erasmus+. Die Bewerbung ist relativ schnell erledigt, Studiengebühren werden erlassen. Bestätigt das Europäische Parlament den Notfallmaßnahmenplan der EU-Kommission, können jene, die bereits für einen Aufenthalt angemeldet sind, diesen wie geplant absolvieren.

Was danach ist, sei nicht abzusehen, sagt Jakob Calice, Geschäftsführer des Österreichischen Austauschdienstes (OeAD). "Ideal wäre, wenn das Land über einen Vertrag weiterhin in der Erasmus-Familie bleibt. So wie beispielsweise die Türkei." Eine andere Variante: Großbritannien wird zum Partnerland, ist also nicht mehr regulärer Teil des Programms. Laut Calice könnte das allerdings bedeuten, dass Erasmus-Studierende wieder Gebühren zahlen. Das könnte viele abschrecken.

Derzeit sei jedoch noch kein Rückgang der Anmeldungen zu bemerken, sagt Calice. Er schließt aber nicht aus, dass sich künftig einige Studierende eher für die ebenfalls beliebten Länder Spanien oder Deutschland entscheiden könnten. Für jene, die ihr Englisch verbessern wollen, könnten Irland oder Malta eine Alternative sein. "Wir versuchen, möglichst flexibel zu sein, wenn jemand Großbritannien ausgewählt hat und jetzt umdisponieren will." Für manche ist ein Auslandssemester in Großbritannien jetzt möglicherweise ein zu großes Risiko.

Viele Top-Unis

Britische Unis landen regelmäßig an der Spitze internationaler Rankings. Wohl auch deshalb sind sie so beliebt: Im Vorjahr vergab die britische Regierung rund 240.000 Studentenvisa. Wird der Brexit dem Uni-Standort Großbritannien schaden? "Diese Top-Unis leben von ihrer Internationalität und werden vermutlich unter dem Brexit leiden, aber sicher auch in Zukunft sehr attraktiv bleiben", sagt OeAD-Geschäftsführer Calice.

Auch viele Lehrende kommen aus EU-Ländern: Circa 15 Prozent haben einen EU-Pass, an manchen Universitäten und in gewissen Fächern auch mehr. An seinem Institut, berichtet PhD-Student Laub, käme sogar ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der EU – aus Österreich, Deutschland, Norwegen, Spanien, Italien oder aus Portugal. Der Leiter des Instituts ist Schwede. "Wenn sie gehen, wird das für die britischen Unis ein Problem werden", vermutet er.

Zukunftspläne schmieden

Damit er auch über den Brexit hinaus in seiner Wahlheimat London bleiben kann, hat Laub kürzlich seinen "settled status" beantragt. Mit dieser Aufenthaltserlaubnis haben EU-Bürgerinnen und -Bürger, die bereits einige Jahre im Land wohnen, weiterhin Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung.

Wo er sich nach dem Studium einen Job suchen wird, steht für ihn noch nicht definitiv fest. "Durch den Brexit wird es sicher nicht einfacher hierzubleiben." (Lisa Breit, 8.3.2019)