Aktionistischer Wahlkampf der Grünen: ein roter Teppich für die Radfahrer in der Stadt Salzburg.

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Salzburg – Den vielleicht pointiertesten Kommentar zum Wahlkampf in der Stadt Salzburg für die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl am kommenden Sonntag, 10. März, lieferte die kleine, privat organisierte Verkehrsinitiative Rote Elektrische, die sich für eine unterirdisch geführte Regionalstadtbahn einsetzt. "Am Abend werden die Faulsten fleißig …", heißt es in einer Aussendung der Roten Elektrischen zu der im Wahlkampf plötzlich auftauchenden Fülle an verkehrspolitischen Vorschlägen.

Tatsächlich dominieren verkehrspolitische Fragen und Konzepte sonder Zahl die Wahlauseinandersetzung wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Das Interesse der politischen Parteien in der "Stauhauptstadt Österreichs" korrespondiert mit der Gefühlslage der Bewohner und Bewohnerinnen. In einer Umfrage der "Salzburger Nachrichten" rangiert das Thema Verkehr in der Problemliste mit 61 Prozent ganz oben, die explodierenden Wohnkosten rangieren mit 31 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei.

Garagen, Radwege, Barrierefreiheit

Neben den Dauerthemen pro und contra Erweiterung der Altstadtgarage im Mönchsberg, Bus- und O-Bus-Preise sowie einer schienengebundenen Bahn in der Stadt Salzburg stehen auch andere Maßnahmen zur Debatte: Der Gaisberg als Naherholungsgebiet soll durch eine Obergrenze für Pkw-Zufahrten entlastet werden, für den dichtbesiedelten Stadtteil Lehen ist eine großzügige Begegnungszone im Stadtteilzentrum geplant, und der gesamte Stadtteil Schallmoos wird ab Juli zur Kurzparkzone, um die Anrainer vom Parkdruck der Pendler zu entlasten.

Während die SPÖ neue Fahrradabstellplätze am Bahnhofsvorplatz – sogenannte Fahrradtürme – fordert, haben Grüne und Neos gemeinsam ein Radwegekonzept vorgestellt, das unter anderem eine Fahrradverbindung zwischen den dichtbesiedelten Stadtteilen Gnigl und Schallmoos verspricht. Diese fehlende Radverbindung ist inzwischen ja zu einem Symbol für die Malaise der Salzburger Verkehrspolitik geworden. Bei der um sieben Millionen Euro neu gebauten Straßenbrücke über die Eisenbahn zwischen den beiden Stadtteilen hat die damalige Baustadträtin Barbara Unterkofler (damals Neos, heute ÖVP) aus Kostengründen auf einen Radweg verzichtet.

Keine Entlastung dürfte es hingegen für die von der Reisebuslawine geplagten Anrainer in der rechten Altstadt geben. Trotz verschiedener Versprechen den Anrainern gegenüber und trotz Kritik renomierter Verkehrsexperten und -experinnen hält Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) an den beiden Innenstadtterminals fest.

Und nach Jahren hat sich auch jemand einmal die O-Bus-Haltestellen auf ihre Barrierefreiheit hin angesehen. Fazit: In der gesamten Stadt Salzburg gibt es nur eine einzige Obus-Haltestelle, die wirklich barrierefrei ist.

Innenstadt ist Wahlkampfschlager

Der eigentliche Paukenschlag ist aber der SPÖ, den Grünen und den Neos gelungen. In einem gemeinsamen Überraschungscoup haben die drei Parteien eine – vorerst auf fünf Monate befristete – Verkehrsberuhigung für die Salzburger Innenstadt im Planungsausschuss durchgesetzt, Start voraussichtlich im Mai. Damit soll vor allem der Durchzugsverkehr in der linken Altstadt ausgesperrt werden und die Anzahl der täglichen Fahrten durch das Neutor (Mönchsberg) von derzeit über 10.000 auf rund 3.000 reduziert werden.

ÖVP, FPÖ und Lokalmedien laufen Sturm gegen die gerne als "Neutorsperre" denunzierte Verkehrsberuhigung. Vor allem die ÖVP wurde überrumpelt, denn entsprechend den Umfragen ("Salzburger Nachrichten") dürfte eine knappe Mehrheit der Salzburger und Salzburgerinnen für die Verkehrsberuhigung sein. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz versicherten Bürgermeister Preuner und Verkehrslandesrat Stefan Schnöll, auch für eine Verkehrsberuhigung einzutreten; allerdings eben "behutsam und nicht überfallsartig" und "Schritt für Schritt".

"... was alles möglich wäre"

Ob die von SPÖ, Grünen und Neos beschlossene Verkehrsberuhigung bleibt, wird schlicht vom Wahlergebnis abhängen. Preuner hat jedenfalls angekündigt, diese wieder rückgängig machen zu wollen.

Der Salzburger Politikwissenschafter Franz Kok hingegen will die SPÖ-Grüne-Neos-Einigkeit in Sachen Verkehrsberuhigung freilich nicht nur als reine Wahlauseinandersetzung abtun: "Die Spontankoalition lässt ahnen, was alles möglich wäre, wenn es eine Strategie für die Stadt geben würde statt des Kleinkleins des sich Gegenseitig-im-Weg-Stehens", sagt Kok. (Thomas Neuhold, 5.3.2019)