Jahrelange Vorarbeit war in Spanien nötig, bis die Protest- und Streikaktionen richtig groß wurden. Doch die Geste am Frauentag kann auch klein sein.

Foto: APA / AFP / Miguel Riopa

Was wäre, wenn Frauen einfach nicht mehr mitmachten? Keine Frau schiebt den Kinderwagen, an dem sich links und rechts noch ein, zwei weitere Kinder anhalten. Die wenigen Kinder, die sich gewöhnlich mit ihren Vätern auf dem Weg in den Kindergarten machen, werden, dort angekommen, vor verschlossenen Türen stehen. Keine da, die die Kleinen entgegennimmt. In den Lebensmittelläden kommt die Teilzeitkraft nicht, der Filialleiter versucht ohne Erfolg, die Personallücke zu schließen, und beim Bäcker ums Eck geht im Verkauf längst nichts mehr. Büroangestellte finden versiffte Toiletten und Küchen vor, die Mistkübel quellen über. Gebrechliche und kranke Angehörige warten vergeblich auf ihren Einkauf, der ihnen ansonsten von der Schwiegertochter gebracht wird. Die Pflegerin kommt auch nicht daher, keine Medikamente in der Tablettenbox, der Körper bleibt ungewaschen. Übertrieben?

Dort, wo das Geld nicht ist

Der Frauenanteil bei den Kindergeldbezieherinnen, also bei der unbezahlten Kinderbetreuung, liegt bei 96 Prozent, jener in den Kindertagesstätten bei 98,5 Prozent. Bei 70 Prozent liegt er im Einzelhandel, wo Frauen vorwiegend Teilzeit arbeiten – wie generell jede zweite berufstätige Frau zwischen 25 und 60 Jahren. Sie tun dies zum Beispiel, um sich um kranke und alte Menschen zu kümmern. 455.000 Pflegebedürftige bezogen im Jahr 2018 Pflegegeld, die Hälfte davon wird zu Hause privat gepflegt – laut Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger zu zwei Dritteln von Frauen. Und erst kürzlich zeigte eine Studie, dass die Geburt ihres ersten Kinds Frauen noch zehn Jahre nach der Geburt die Hälfte ihres Gehalts kostet.

Gebärstreik, Versorgungsstreik, Lohnarbeitsstreik, kurz "Frauenstreik!" heißt es deswegen in den Vorbereitungen zum Weltfrauentag in vielen Ländern Europas. Die Idee eines Frauenstreiks fasziniert heute wieder viele Aktivistinnen. "Wenn Frau will, steht alles still", so lautete schon das Motto des großen Frauenstreiks in der Schweiz vor 28 Jahren, in Anlehnung an eine historische Parole der Arbeiterbewegung.

500.000 Frauen nahmen am 14. Juni 1991 an Streik- und Protestaktionen teil. Inspirieren ließen sich die Schweizerinnen dabei auch von früheren Frauenstreiks. Im Sommer 1970 hatten in den USA, zum 50. Jahrestag des Frauenwahlrechts, rund 20.000 Frauen vor allem in New York gestreikt. Einen weiteren wichtigen Frauenstreik gab es fünf Jahre später auf Island, mit beeindruckender Beteiligung: 90 Prozent der weiblichen Bevölkerung legten für einen Tag die Arbeit nieder. Die Gründe waren bei jedem Frauenstreik dieselben: kaum Fortschritte in der Gleichstellung, auch nicht nach deren gesetzlicher Verankerung, klaffende Lohnlücken und unveränderte Alleinverantwortung für Kinder, Kranke und alte Angehörige, Gewalt gegen Frauen – Probleme, die bis heute bestehen und die viele nicht mehr hinnehmen wollen.

Riesige Protest- und Streikaktion

Erst im Vorjahr gelang in Spanien eine riesige Protest- und Streikaktion. Eine halbe Million Spanierinnen legte laut Gewerkschaften zumindest für zwei Stunden die Arbeit nieder. Auch der restliche Tag, der 8. März 2018, stand im Zeichen des Frauenstreiks: Landesweit wurde Schürzen aus Fenstern und über Balkonbrüstungen gehängt, um auch den Streik bei der Hausarbeit sichtbar zu machen – und damit die Verzahnung von unbezahlter Arbeit und Gender-Pay-Gap.

Obwohl es auch in Wien ein aktives Frauenstreikbündnis gibt, wird es am 8. März in Österreich wohl noch keinen großen Frauenstreik geben. Das ist zumindest die Einschätzung der Aktivistinnen. Noch nicht. Mindestens drei Jahre Vorarbeit waren in Spanien nötig, bis 2018 der Weltfrauentag nicht mehr von Sonderangeboten für Frauen und Verteilaktionen von diversem Schnickschnack geprägt war, sondern vor allem von demonstrierenden Frauen. Wichtig für die breite Mobilisierung war letztlich auch, dass Journalistinnen beschlossen, sich dem Streik anzuschließen – Frauen, deren Arbeit sichtbarer ist als die vieler anderer "Frauenberufe".

In Deutschland arbeitet derzeit ein bundesweites Bündnis an Streikaktivitäten. Das Berliner Maxim Gorki Theater vermeldete, eine Premiere am Frauentag verschieben zu müssen, weil Mitarbeiterinnen streiken.

"Wir wollen nicht, dass am Frauentag nur mehr Blumen verteilt werden, und dann gehst du in deinen Job und wirst beschissen bezahlt", sagt Ruth, die zu einer "Streikschulung" zum Wiener Frauenstreikkomitee gekommen ist. Eine Betriebsrätin informiert dort die anwesenden Behindertenbetreuerinnen, Pflegerinnen, Universitätsmitarbeiterinnen, Handwerkerinnen oder Sozialpädagoginnen über rechtliche Rahmenbedingungen. "Der beste Schutz vor einer Kündigung ist Solidarität", erklärt die Betriebsrätin, die gerade in den Streik-Aktivitäten rund um die Kollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich steckte. Bei einer Betriebsversammlung anlässlich der Warnstreiks der Sozialwirtschaft Österreich wurde auch ein Streikbeschluss für einen Frauenstreik am 8. März gefasst. Ein Teil der Belegschaft von Jugend am Werk wird am Frauentag streiken, Männer werden solidarisch mitstreiken. Es ist bisher der größte Betrieb in Österreich, für den es einen Streikbeschluss zum Frauentag gibt.

Einmal ein bisschen bummeln

Gekündigt werden darf man wegen eines Streiks zwar nicht, es kann allerdings eine Kündigung ohne Grund ausgesprochen werden. Wer vermutet, wegen eines Streiks gekündigt worden zu sein, muss das schon nachweisen können, warnt die Betriebsrätin die streikwilligen Frauen. Ob und wie sie streiken wollen, steht für viele noch nicht fest. Formen des Streiks gibt es ja viele. Einfach einmal alles sehr, sehr langsam zu machen ist auch eine Form des Streiks, der "Bummelstreik". Die Teilnahme der Männer wäre etwa ein "Solidaritätsstreik".

Die Menschenrechtskonvention garantiert das Recht, Gewerkschaften zu bilden. Dazu gehört auch das Recht, Kollektive zu bilden und Kampfmaßnahmen zu setzen. Doch taugt "Frau" überhaupt noch als Kollektiv? Was hat die Bankerin, die sich Betreuungs- und Putzarbeiten zukaufen kann, mit der Reinigungskraft gemeinsam, die bei ihr sauber macht? "Frau zu sein heißt noch immer, strukturellen Benachteiligungen aller Art ausgesetzt zu sein", sagt Judith Pühringer, Arbeitsmarktexpertin und Geschäftsführerin von "arbeit plus". Auch gut verdienende Frauen stoßen noch immer an die gläserne Decke. Durch einen Streik könne auch gezeigt werden, welche Art von Arbeit immer selbstverständlich passiere. "Ohne Sorgearbeit ist Erwerbsarbeit gar nicht möglich", das werde immer wieder vergessen, sagt Pühringer.

Arbeiten daheim und isoliert

Doch ein Frauenstreik funktioniere genau wegen dieser Sorgearbeit nicht, meint die Philosophin Cornelia Klinger, die sich mit Carearbeit befasst. "Wie sollen wir unsere Kinder bestreiken?", fasst sie das Problem der Arbeitsniederlegung im privaten Bereich zusammen. "Care- und Hausarbeit findet in Isolierung von anderen Arbeitenden statt, das ist nun mal die Struktur dieser Arbeit", sagt Klinger. Streik in der Industriearbeit funktioniert, weil Männer dort tagtäglich im selben Betrieb sind, miteinander reden und über Gewerkschaften organisiert sind. Bei Frauen hätten diese traditionellen Formen der Kollektivierung noch nie geklappt.

"Tiefgreifende Veränderungen gibt es erst, wenn das ganze System infrage gestellt wird", ist Klinger überzeugt. Zu diesem System gehöre auch die noch junge Polarisierung zwischen Männer- und Frauenarbeit. Erst mit der Industrialisierung entfernten sich ökonomische Tätigkeiten immer weiter vom eigenen Zuhause. Männer wurden zur Arbeit mit Maschinen und in die Bürokratie geschickt und viele Frauen von entlohnten Tätigkeiten entfernt. Bis heute leisten sie schlechtbezahlte professionelle Carearbeit oder unbezahlte Sorgetätigkeiten zu Hause.

"In der Frauenbewegung wurde schon viel demonstriert, gebracht hat es nicht viel", sagt Michaela beim Frauenstreiktreffen. Streik könne finanziellen Druck aufbauen, sagt sie. Ein Frauenstreik sei aber vor allen Dingen ein politischer Streik, "wir müssen die Gesellschaft zum Stillstand bringen". Vielleicht auch nur kurz, wie es das Frauenstreikkomitee vorschlägt: für fünfzehn Minuten um elf Uhr Vormittag am Internationalen Frauentag. (Beate Hausbichler, 3.3.2019)