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Es gibt immer noch keinen Gesamtvertrag für Psychotherapie, kritisiert der Rechnungshof.

Foto: Getty Images/Maskot

Wien – Es kommt immer ganz plötzlich, manchmal beim Autofahren, beim Aufwachen oder auch an einem ganz normalen Abend mit den Kindern auf der Couch: Atemnot, Herzrasen, die Angst, die Kontrolle zu verlieren, bis hin zur noch größeren Angst, der Angst zu sterben. So beschreiben Betroffene eine Panikattacke. Dieses Krankheitsbild gehört mittlerweile zu den häufigsten psychischen Erkrankungen.

Doch niederschwellige Angebote für die Versorgung psychisch Kranker durch die Sozialversicherungen fehlen, kritisiert der Rechnungshof in seinem am Freitag veröffentlichten Bericht. Zu demselben Urteil kam die OECD bereits 2015, allerdings blieb das weitgehend folgenlos. Auch heute gibt es noch keine bundesweite Angebotsplanung. Die Prüfer stellen fest, dass es keine angemessene Reaktion auf die wachsende Bedeutung psychischer Erkrankungen gibt, obwohl auch die Folgekosten für die Allgemeinheit rapide steigen.

Hohe Folgekosten

Denn die Kosten für Invaliditätspension und Rehabilitationsgeld infolge psychischer Erkrankungen sind zwischen 2007 und 2016 stark gestiegen – um 62 Prozent, also 368,26 Millionen Euro. Die Folgen schlagen sich auch in den Krankenstandstagen von Erwerbstätigen nieder. Diese sind im selben Zeitraum um 94 Prozent gestiegen, die Kosten davon um 1,8 Millionen Euro.

Außerdem beklagen die Prüfer fehlende Daten über Verbreitung, Ursachen und Folgen psychischer Erkrankungen. Diese seien aber entscheidend für eine wirksame Versorgung und für das Erstellen eines Versorgungsplans. Aber auch über die Behandlung der Erkrankten gibt es kaum Informationen: Wie viele Psychopharmaka eingenommen werden, wie viele Menschen psychosoziale Dienste beanspruchen und wie die Behandlung wirkt, sollte erfasst werden.

Zwar gaben die Krankenversicherungsträger 2016 österreichweit 215,69 Millionen Euro für Psychopharmaka aus, was sieben Prozent der gesamten Heilmittelausgaben darstellt. Nicht enthalten darin sind jene Präparate, die weniger als die Rezeptgebühr kosten. Apotheken unterliegen auch keiner Meldepflicht. Die Empfehlung der Prüfer lautet daher, eine zentrale Meldestelle einzurichten, die verfügbare Daten zusammenfasst und Empfehlungen ableitet.

Immer noch kein Gesamtvertrag

Entscheidend ist für die Prüfer die Rolle der Allgemeinmediziner, sind sie doch auch diejenigen, die häufig als erste Anlaufstelle für Patienten dienen. Es sei nicht hinzunehmen, dass nicht alle Allgemeinmediziner Erfahrungen mit der Behandlung psychisch Kranker hätten. Das sei erst seit der neuen Ausbildungsverordnung von 2015 verbindlich.

Auch bei der Psychotherapie weist der Rechnungshof auf zahlreiche Mängel hin. Es gebe auch nach 27 Jahren noch keinen Gesamtvertrag, trotz mehrerer Verhandlungsrunden. Einzelne Krankenversicherungsträger haben seit 2001 Verträge mit Versorgungsvereinen geschlossen, mit denen Vereinbarungen über bestimmte Stundenkontingente getroffen werden.

Psychotherapie auf Krankenschein gefordert

Damit wäre einerseits eine begrenzte Anzahl von Therapeuten mit Kassenvertrag ausgestattet und könnte ohne Zusatzkosten aufgesucht werden. Andererseits würden beim Besuch von Wahlärzten maximal 80 Prozent des Kassentarifs von der Sozialversicherung erstattet, beim Besuch von Wahltherapeuten wird deutlich weniger zurückerstattet.

Die Empfehlung der Prüfer: eine gesetzliche Neuregelung der Psychotherapieversorgung, am besten mittels Gesamtvertrag. Denn derzeit gibt es für die gleiche Leistung unterschiedliche Selbstbehalte und Anspruchsvoraussetzungen – abhängig davon, ob die Therapie bei einem Arzt oder einem Therapeuten besucht wird. Das sei für die Betroffenen schwer durchschaubar. Hier sollten einheitliche Standards geschaffen werden.

Kritik übt der Rechnungshof außerdem daran, dass in Salzburg und der Steiermark der Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht plangemäß umgesetzt wurde. Diese beiden Bundesländer hatten die Prüfer genauer unter die Lupe genommen. Bei der Gelegenheit kritisiert der Rechnungshof auch, dass psychisch erkrankte Personen in der Steiermark häufig in Pflegeheimen untergebracht werden, obwohl sie lediglich in die niedrigen Pflegestufen eins bis drei fallen. (Marie-Theres Egyed, 1.3.2019)