Als Locus classicus für Beispiele, wie ein spektakuläres Verbrechen ausgenutzt werden kann, um einen demokratischen Rechtsstaat zu demolieren, darf der Reichstagsbrand von 1933 gelten. Damit soll kein Vergleich des preußischen Innenministers von damals mit dem österreichischen von heute gezogen sein, obwohl sich nicht erkennen lässt, dass Letzterer nach dem Prinzip handelt, das bis zum Antritt der Regierung Kurz/Strache offizielles Grundverständnis der Republik war: "Niemals vergessen" und "Wehret den Anfängen". Sichtbar wird das Gegenteil, und das umso deutlicher, als Kickl mit seinen Schutzhaftfantasien auf den Mord in Dornbirn gar nicht warten musste, schwadronierte er doch – kaum im Amt – vom Konzentrieren, und dann vom Recht, das der Politik zu folgen habe.

Doch als das Verbrechen geschehen war, das bei größerer behördlicher Aufmerksamkeit vielleicht hätte verhindert werden können – wann wird das untersucht? -, setzte sofort, 1933 hätte man "schlagartig" gesagt, seine ebenso wohlkalkulierte wie absolut schamlose Instrumentalisierung ein, bei der es nach außen hin um Sicherheit, in Wahrheit um die Durchsetzung einer freiheitlichen Hegemonie in Sachen Verfassungsbruch und Einschränkung von Grundrechten geht. Dass präventives Wegsperren von Ausländern, in deren Gehirne vorurteilsfrei hineinzuschauen noch nie eine freiheitliche Tugend war, jene Sicherheit gewährleistet, die freiheitliche Verdachtschöpfer verheißen, ist unbewiesen.

Propagandazwecke

Was seit Wochen in diesem Land läuft, ist alles, nur keine seriöse Debatte über Sicherheit, vielmehr nichts anderes als die Fortsetzung jener migrantenfeindlichen Kampagne, mit der diese Koalition die Wahlen gewonnen hat und mit der sie die anstehenden, mangels anderer, herzeigbarer Leistungen zu gewinnen hofft. Eine Regierung, die nicht imstande ist, zu einer relativ übersichtlichen Materie wie dem Karfreitag ein plausibles Gesetz vorzulegen, hat keine Hemmungen, sich die Verfassung und internationale Verträge für Propagandazwecke zurechtzubiegen, wenn sich nur ein Mehrheitsbeschaffer dafür findet.

Und unglaublich, aber wahr: Es gibt Bereitschaft! Schwer verständlich: Es ist die SPÖ. Da bringt diese Partei im Nationalrat einen Misstrauensantrag gegen den Innenminister ein. Wenn dieser kurz später eine nächste ausländerfeindliche Blähung entlässt, mit der er das beantragte Misstrauen glänzend rechtfertigt, schnuppern Funktionäre daran, um zu erriechen, ob sie nicht auch ihr Mäntelchen in diesen Wind hängen sollten. Am besten gleich auch Schutzhaft für Inländer – so ungeschickt war Kickl nicht. Aber wer glaubt, die Abwanderung von Wählern zur FPÖ durch Annäherung an diese verhindern zu können, sollte wenigstens das Gesetz von Schmiedl und Schmied niemals vergessen.

Zur Kaltschnäuzigkeit gesellt sich auch in die Wortspenden des Kanzlers allmählich ein autoritärer Unterton. "Wir" – Majestätsplural – "brauchen keine Skepsis", rüffelte er den Bundespräsidenten zum Thema Präventivhaft. Geschichte wiederholt sich natürlich nicht, aber Skepsis und Experten waren bei Führernaturen noch nie beliebt. (Günter Traxler, 28.2.2019)