Für viele Frauen sind die Bauchkrämpfe während ihrer Periode unerträglich. Rückzug ist eine gute Strategie – warum nicht auch arbeitsrechtlich?

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Im STANDARD-Zyklus reden wir über die Periode.

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Als würde sich ein wilder Löwe mit seinen spitzen Zähnen in den Unterleib hineinbeißen und dann genüsslich an der Gebärmutter herumkauen: Fast so fühlen sich für manche Frauen die monatlichen Menstruationskrämpfe an. 30 Prozent aller Frauen haben so massive Beschwerden, dass ihr Alltag beeinträchtigt ist. Das geht so weit, dass Betroffene vor Schmerzen ohnmächtig werden. Davon, sich auf die Arbeit konzentrieren zu können, sind sie weit entfernt. Der "menstrual leave", also freie, bezahlte Tage während ihrer Periode, wäre für sie eine Erleichterung.

"Für viele Frauen ist es an diesen Tagen ein Kampf, in die Arbeit zu kommen, sie fühlen sich lausig. Arbeitgeber sollten dafür ein Bewusstsein haben", hat schon vor einigen Jahren der britische Gynäkologe Gedis Grudzinskas gefordert. Er vergleicht die Maßnahme mit jener großer Konzerne wie Google, Facebook und Apple, Mitarbeiterinnen das Einfrieren ihrer Eizellen für später zu bezahlen. "Sie kümmern sich um die Wünsche moderner Frauen in der Arbeitswelt."

Erfundene Ausreden

In mehreren asiatischen Ländern gibt es den sogenannten Menstruationsurlaub seit Jahrzehnten. In Japan dürfen sich Frauen seit 1947 einen Tag freinehmen, in Indonesien stehen laut Gesetz jeder Frau zwei freie Tage im Monat zu, Taiwan führte die Regelung 2013 ein. Auch in Südkorea steht Arbeitnehmerinnen ein Tag bezahlter Menstruationsurlaub pro Monat zu.

Für freiwillige Maßnahmen anstatt einer gesetzlichen Regelung plädiert Bettina Steinbrugger, Geschäftsführerin des Start-ups Erdbeerwoche, das nachhaltige Frauenhygieneprodukte vertreibt. Unternehmen könnten zum Beispiel jedem Mitarbeiter ermöglichen, zwei bis drei Tage pro Monat ohne Angabe von Gründen im Homeoffice zu arbeiten, so ihr Vorschlag. Aktuell, weiß Steinbrugger, erfinden viele Frauen monatlich einen Magen-Darm-Virus oder eine andere Ausrede, denn das Thema Menstruation sei tabu. "Bei Arbeitgebern herrscht dafür oft totales Unverständnis", kritisiert Steinbrugger.

Ursprung in Japan

Dass das nicht überall so ist, zeigt sich am Beispiel des Sportartikelherstellers Nike. Dort wurden die freien Tage für Mitarbeiterinnen bereits 2007 weltweit in den Unternehmensrichtlinien festgelegt. Auch Coexist, eine Eventfirma im englischen Bristol, hat eine "menstrual policy" eingeführt: Mitarbeiterinnen haben die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten im Einklang mit ihrem Menstruationszyklus zu planen. Konkret bedeutet das: Die Frauen können während ihrer Periode früher gehen und die Stunden wann anders einarbeiten. Sie sollen sich auch im Büro in einen ruhigen Bereich zurückziehen oder von zu Hause aus arbeiten können. Einen Tag pro Monat dürfen sie sich komplett freinehmen. Von den 13 Mitarbeiterinnen hätten das bisher sieben in Anspruch genommen, heißt es auf der Website des Unternehmens.

Erstmals in der Geschichte forderten Busfahrerinnen und Textilarbeiterinnen im Japan der 1920er- und 1930er-Jahren einen Menstruationsurlaub. Sie arbeiteten damals unter sehr schlechten Bedingungen, sanitäre Anlagen und Hygieneartikel waren kaum vorhanden. Sie verlangten also freie Tage während der Menstruation. Mit ein Grund dafür war der Irrglaube, die Schonung würde spätere Probleme während einer Schwangerschaft oder der Geburt verhindern, etwa Fehlgeburten und vorzeitige Wehen.

Meldung an den Chef

Mittlerweile ist jedoch die Zahl der Frauen, die die Option des "menstrual leave" in Japan wahrnehmen, zurückgegangen. Die Wissenschafterin Alice J. Dan hat für eine Studie Interviews mit japanischen Experten geführt und schreibt darüber im Fachmagazin "Health Care for Women International", dass dies vor allem daran liege, dass sich viele Sorgen machen, ihre Karriere könnte unter der Option leiden. Schließlich, gibt auch die Soziologin und Drogistin Bianca Taschl (siehe Interview) zu bedenken, sei mit dieser Regelung auch verbunden, dass Frauen dazu verpflichtet sind, ihrem (männlichen) Chef zu sagen, dass sie gerade menstruieren.

Zusätzliche freie Tage für Frauen mit starken Regelschmerzen forderten 2017 auch italienische Parlamentarierinnen. Sie legten einen Gesetzesentwurf vor, der Unternehmen zu bis zu drei Tagen Menstruationsurlaub pro Monat verpflichten sollte. Betroffene Frauen müssten einmal im Jahr für ein Attest zum Arzt gehen. Der Vorschlag wurde abgelehnt, unter anderem mit der Begründung, der "menstrual leave" sei sexistisch. Frauen könnten als schwächere Arbeitskräfte gelten.

Menstruierende Männer

Ob dem so ist, dazu haben Feministinnen je nach Strömung unterschiedliche Ansichten. Die Amerikanerin Gloria Steinem dreht in ihrem Essay "If Men Could Menstruate" den Spieß um und fragt: "Was würde passieren, wenn plötzlich, wie durch Zauberhand, Männer und nicht Frauen menstruieren?" Die Antwort darauf gibt sie selbst: Menstruation würde zu einem beneidenswerten Ereignis, mit dem Männer prahlen, etwa darüber, wie stark sie ist oder wie lange sie dauert.

Ein nationales Institut für Regelschmerzen würde gegründet und finanziert, um gegen die monatlichen Beschwerden vorzugehen, schreibt Steinem. Hygieneartikel würde in ihrem Szenario der Staat bereitstellen. Ziemlich wahrscheinlich, dass in dieser fiktiven Welt auch menstruationsfreie Tage für Männer Realität wären. (Bernadette Redl, Lisa Breit, 28.9.2019)