Bereits im Jahr 1911, als die Idee der Gründung eines Städtischen Museums in Neunkirchen erstmals Gestalt annahm, gab der damalige Initiator des Projekts, der jüdische Volkschullehrer Heinrich Mose, erste Begleitwerke zur Geschichte des Bezirks am Beispiel einiger Ausstellungsstücke heraus. Eines der Hauptthemen dieser Publikationen war, neben volkskundlichen Beiträgen, stets die Archäologie, da vor allem im Bereich des Stadtgebiets von Neunkirchen, aber auch darüber hinaus bereits im 19. Jahrhundert zahlreiche archäologische Funde geborgen worden waren. Diese reichten von neolithischen Axtköpfen über römische Grabsteine bis hin zu völkerwanderungszeitlichen Grabfunden.

Römerfest Neunkirchen – Reenactment als Methode der Wissensvermittlung.
Foto: Vanessa Staudenhirz

Sammlung vermehren und erhalten

Großen Zuwachs erhielt die archäologische Sammlung schließlich unter dem Kustos Fritz Weninger, einem auch überregional bekannten Maler und Sgraffitokünstler, der das Museum nach den Wirren des Ersten Weltkriegs und dem damit verbundenen Untergang des Habsburgerreichs in den 1920er-Jahren wiederaufbaute und in drei Räumen des Rathauses im Jahr 1931 wiedereröffnete.

Aufgrund seiner Rolle als Kustos des Bezirksmuseums wurde er auch zum Bezirkskonservator bestellt und war in den kommenden Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs für alle im Bezirk durchgeführten Ausgrabungen verantwortlich. Seine Mitkustoden kümmerten sich um den Sammlungserhalt und die Vergrößerung der volkskundlichen Sammlungen, was dazu führte, dass das Museum bereits kurz vor 1940 aus allen Nähten zu platzen drohte. Daher wurde schnellstens eine Lösung gesucht und schließlich das Wohnhaus des ehemaligen Bürgermeisters Emil Stockhammer, eines großen Förderers des Museums, als neuer Standort auserkoren und schon 1940 während des Zweiten Weltkriegs bezogen. Um die Sammlung zu schützen, wurden die Exponate jedoch in die Pfarrhöfe von Haßbach und Schwarzau im Gebirge ausgelagert, was dazu führte, dass zwar während des Krieges keine Schäden an den Objekten entstanden, aber bei der Rückführung nach Kriegsende das eine oder andere Stück spurlos verschwand.

Neuaufstellung für das Museum

Ein Neustart des Museums gelang schließlich in den 1950er-Jahren unter Kustos Karl Schmidl, der sich für die Neuaufstellung der Sammlung Hilfe aus der wissenschaftlichen Welt holte. So wurde mit der Neusortierung der geologisch-paläontologischen Sammlung Robert Mayerhofer vom Niederösterreichischen Landesmuseum betraut und für die Neuordnung und Bewertung der archäologischen Sammlung der Althistoriker und Archäologe Franz Hampl zurate gezogen, da dieser aufgrund vorangegangener Grabungen im Bezirk Neunkirchen einen guten Überblick über das vorhandene Fundspektrum hatte. Hampls Enthusiasmus führte auch dazu, dass bis heute experimentalarchäologische Anlagen im Museumsgarten zu bewundern sind und auch weiterhin Forschungen zu Kupfererzverhüttung und Bronzeguss stattfinden.

Themenraum Mittelalter mit Fußblock zum eigenen Ausprobieren.
Foto: Hannes Schiel
Neu gestaltete geologisch-mineralogische Sammlung.
Foto: Hannes Schiel

Auch Karl Schmidl folgte seinen Vorgängern darin, wissenschaftliche Texte über die Stadt- und Bezirksgeschichte zu verfassen und zu publizieren, und entdeckte darüber hinaus seine Liebe zur Archäologie, die er bei vielen Ausgrabungen im Bezirk ausleben durfte und so auch eine stete Kooperation mit der Universität Wien erhielt. Nach einer Umbenennung des "Städtischen Museums" in "Heimatmuseum" im Jahr 1966 und dem nur wenige Jahre darauf folgenden plötzlichen Tod Schmidls fiel das Museum jedoch für viele Jahre in einen Dornröschenschlaf und konnte buchstäblich erst in letzter Minute, Anfang der 2000er-Jahre, wiedererweckt und vor einer Auflassung bewahrt werden. Seit 2010 wird die Schausammlung modernisiert, und auch die rege Forschungstätigkeit wurde wiederaufgenommen.

Neues Leben

Ein großer Glücksfall für das nun wieder aufstrebende und auch wieder erstarkende Museum, das als Zeichen des Wandels auch seinen alten Namen zurückerhielt, war der Zufallsfund zweier bis zur ersten Balkenauflage erhaltener römischer Streifenhäuser im Stadtkern von Neunkirchen im Jahr 2011, der eine Flut neuer, spannender Fundstücke ins Museum brachte. Gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt und dem Institut für Klassische Archäologie wurden die Fundstücke aufgearbeitet und bereits 2013 in der Fachliteratur publiziert sowie im Rahmen einer Sonderausstellung auch den Bewohnern Neunkirchens zugänglich gemacht.

Aus diesem Anlass wurde auch das zweite Standbein des Museums – die experimentelle Archäologie – wiederaufgegriffen und das seither jährlich im September stattfindende "Römerfest" ins Leben gerufen. Dieses dient vor allem der im Museumsbereich so entscheidenden Vermittlung der breit gefächerten archäologischen Forschungsgebiete wie Bronzeguss, Herstellung und Nutzung von Back- und Töpferöfen oder römische Küche mit ihren variantenreichen Rezepten. Der Museumsbesucher kann hier hautnah Forschung und experimentelle Archäologie erleben, mitmachen und verkosten sowie Eindrücke über die Antike im Bezirk Neunkirchen mit nach Hause nehmen.

Das Skelett in Hockerlage

Ein etwas seltsamer Fund, den diese Grabung im Jahr 2011 zutage brachte, war ein Skelett in Hockerlage, das unmittelbar unterhalb eines Mauersockels im südlichen der beiden Häuser zutage trat. Anfänglich für ein Bauopfer gehalten, beschloss man aufgrund der seltsamen Lage, eine C14-Datierung durchzuführen und die Überreste am Naturhistorischen Museum Wien anthropologisch untersuchen zu lassen.

Tatsächlich lohnte sich diese Investition, denn die Bestattung des jungen Mannes, der nur etwa 25 Jahre alt wurde und bereits in früher Jugend wohl einen sehr harten, entbehrungsreichen Winter erleben musste, konnte auf ungefähr 5.300 Jahre vor heute datiert werden. Das machte die Sensation perfekt, da dieser Fund die Geschichte Neunkirchens als Siedlungsort um 2.000 Jahre älter werden lässt und ihn so in die Zeitepoche Ötzis zurückversetzt.

Erstes Foto der 5.300 Jahre alten Hockerbestattung während der Ausgrabung.
Foto: Roman Igl
Rekonstruktion einer Kupferverhüttungsanlage nach neuestem Forschungsstand im Museumsgarten.
Foto: Hannes Schiel

Daher wurde der "erste Neunkirchner", wie die Bestattung fortan genannt wurde, auch als Glanzstück der erst wenige Jahre zuvor wiedereröffneten archäologischen Sammlung präsentiert. Seither blieb die Neugestaltung und Forschung nicht stehen, in zahlreichen Sonderschauen und neu aufgestellten Räumen wird versucht, den Bezirk Neunkirchen dem Besucher durch alle Zeitepochen anschaulich zu präsentieren und in Begleitbänden den neuesten Forschungsstand zu vermitteln. Ein Besuch im Städtischen Museum Neunkirchen sollte sich also auf alle Fälle lohnen. (Hannes Schiel, Vanessa Staudenhirz, 28.2.2019)