Der Urlaubstag für Evangelische und Altkatholische fällt. Dafür kommt ein "persönlicher Feiertag".

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Die Regierungsparteien haben einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem der Streit um den Karfreitag beendet werden soll. Am Mittwoch verteidigte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nochmal die geplante Lösung, für 96 Prozent der Österreicher ändere sich nichts. Die Eckpunkte: Der Feiertag für Evangelische und Altkatholische wird fallen, dafür sollen sich aber alle Bürger einen "persönlichen Feiertag" nehmen können. Doch was bedeutet das genau? DER STANDARD hat sich den Gesetzestext in der Form angesehen, wie er am Mittwoch in den Nationalrat eingebracht und beschlossen wurde, und die wichtigsten Fragen beantwortet. Da es sich noch um einen Entwurf handelt, sind Änderungen nicht ausgeschlossen:

Wie kann ich mir heuer am Karfreitag freinehmen?

Theoretisch können sich alle Arbeitnehmer, die möchten, freinehmen. Die neue Regelung sieht vor, dass einmal im Jahr jeder Arbeitnehmer "den Zeitpunkt des Antritts seines Urlaubstags" einseitig bestimmen kann. Bisher galt, dass Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter Einvernehmen darüber erzielen müssen, wann ein Urlaub angetreten werden kann.

Grundsätzlich heißt es im neuen Gesetz, dass der Arbeitnehmer diesen Tag künftig drei Monate im Vorhinein schriftlich bekanntgeben muss.

Karfreitag im Nationalrat stark umstritten.
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Aber: 2019 gilt diese Frist einmalig nicht. In den ersten drei Monaten, nachdem die neuen Bestimmungen zum persönlichen Feiertag in Kraft getreten sind, müssen Arbeitnehmer laut Gesetzesentwurf nur zwei Wochen vorher bekanntgeben, wann sie freihaben wollen. Für den Karfreitag 2019 wird sich das also ausgehen, da die Regierungsparteien schon am Mittwoch eine Beschlussfassung im Nationalrat anstreben.

Wer kann sich jetzt freinehmen? Kann sich auch ein Atheist einen persönlichen Feiertag nehmen?

Den persönlichen Feiertag kann jeder Arbeitnehmer in Österreich beantragen, ganz gleich, ob er oder sie religiös ist. Eine Angabe von Gründen, warum jemand ausgerechnet am Tag X freihaben will, ist nicht notwendig.

Kann mich mein Arbeitgeber zwingen, dennoch zu arbeiten?

Nein. Laut Gesetz kann der Arbeitnehmer an seinem "persönlichen Feiertag" dennoch arbeiten, wenn ihn der Arbeitgeber darum ersucht, den Urlaubstag doch nicht anzutreten. In diesem Fall muss der Arbeitgeber aber den Tag doppelt bezahlen – einmal das normale Entgelt und einmal die Entgeltfortzahlung für den Urlaubstag (auch wenn dieser nicht konsumiert wird).

Der Jurist Martin Risak macht in diesem Zusammenhang auf einen interessanten Aspekt aufmerksam: Wenn sich Arbeitnehmer eines Betriebs absprechen und alle denselben Tag zum persönlichen Feiertag erklären, können sie damit Druck auf den Arbeitgeber ausüben, um Zuschläge zu kassieren. Denn wenn an dem Tag nicht ohnehin produktionsfrei ist, braucht der Unternehmer seine Angestellten. Wichtig: Wer einen Urlaubsantrag stellt, dann aber doch arbeitet, bekommt die Zuschläge und verliert keinen Urlaubstag. Wohl aber hat er dann kein Recht mehr, nochmals im Jahr einseitig einen Urlaub zu beantragen.

Bekomme ich einen Extra-Urlaubstag für den "persönlichen Feiertag"?

Nein. Extraurlaub gibt es nicht. Dieser Punkt sorgt auch für heftige Kritik der Opposition, aber auch der Gewerkschaften. Denn de facto führt die neue Regelung dazu, dass Evangelische schlechtergestellt werden als bisher: Für sie war der Karfreitag bisher ein Feiertag, nun müssen sie einen Urlaubstag dafür verwenden, auf den sie freilich Anspruch haben.

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Um diese Lösung durchzusetzen, müssen die Regierungsparteien auch in Kollektivverträge eingreifen. In mehreren Kollektivverträgen, etwa für Architekten und Bankiers, war bisher festgehalten, dass der Karfreitag ein Feiertag für Evangelische und Altkatholiken ist. Auch in einem Generalkollektivvertrag gibt es so eine Regelung, die nun fallen wird. Im Generalkollektivvertrag ist auch festgeschrieben, dass Jom Kippur ein Feiertag für Juden ist. Daran ändert sich vorerst nichts.

Was ist der Generalkollektivvertrag?

In Österreich gibt es mehrere Generalkollektivverträge: Einer, aus den frühen 1950er-Jahren, betrifft den Karfreitag und Jom Kippur, ein anderer regelt die Fortzahlung im Urlaubsfall. Generalkollektivverträge gelten für alle Arbeitnehmer und regeln nur einen sehr spezifischen Bereich, sind ansonsten aber klassische Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Können die Regierungsparteien Kollektivverträge einfach ändern?

Ob per Gesetz Kollektivverträge geändert werden können, wird derzeit unter Juristen diskutiert. Der Arbeitsrechtler Franz Marhold hält die Vorgangsweise der Koalition für nicht zulässig. Er beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im deutschen Fall "Hennigs". Dabei ging es um Altersdiskriminierung in einem Tarifvertrag. Für Marhold ist seit diesem Urteil klar, dass den Sozialpartnern eine vorrangige Position zukommt. Mit anderen Worten: Die Regierung müsste den Sozialpartnern die Gelegenheit gebe, selber eine neue Regelung zu schaffen. Nur wenn das nicht gelingt, dürfte sie laut Marhold per Gesetz in Kollektivverträge eingreifen. Noch strenger als der EuGH sei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser habe im Jahr 2009 in einem türkischen Fall entschieden, dass der Gesetzgeber gar nicht in Tarifverträge eingreifen könne.

Der Linzer Arbeitsrechtler Elias Felten sieht es etwas anders. Prinzipiell könne der Gesetzgeber in Kollektivverträge eingreifen. Dabei muss aber abgewogen werden, was stärker wiegt: das Interesse an einem Eingriff oder jenes, das dagegen spricht. Das erwähnte Urteil im Fall der Türkei sei ergangen, weil der türkische Staat einen Kollektivvertrag ganz aushebeln wollte. Im österreichischen Fall sei die Sache aber anders gelagert, weil hier nur eine Bestimmung gestrichen werden soll. Und die Entscheidung des EuGH betraf Fragen der Entlohnung und damit den Kernpunkt von Tarifverträgen. Auch um das gehe es hier nicht, weshalb Felten davon ausgeht, dass ein Eingriff möglich ist. Einziges Problem, das er sieht, ist, dass nicht auch die Regelungen für Jom Kippur aus dem Generalkollektivvertrag gestrichen wird – weshalb auch das neue Gesetz diskriminierend sein könnte. Der ÖGB kündigte bereits eine rechtliche Prüfung an.

Der Innsbrucker Europarechtler Walter Obwexer hält den Eingriff in den Generalkollektivvertrag für nicht EU-rechtswidrig. Vielmehr komme Österreich damit seiner unionsrechtlichen Verpflichtung nach, sagte er zur APA – und verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom September 2018.

Demnach verfügen die Kollektivvertragsparteien – im Rahmen ihrer Tarifautomonie – zwar über ein weites Ermessen. Aber sie müssen das Unionsrecht beachten. Und die Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Bestimmungen für nichtig erklärt oder geändert werden, erläuterte Obwexer das EuGH-Urteil.

Wenn der österreichische Gesetzgeber nun vorschreibe, dass die gleichheitswidrige alte Regelung – mit dem Karfreitags-Feiertag nur für Evangelische und Altkatholiken – nicht mehr angewendet werden darf, komme er seiner unionsrechtlichen Verpflichtung nach. Aber er greife nicht unverhältnismäßig ein in das Grundrecht, Kollektivverträge zu verhandeln, befand Obwexer.

Haben auch Beamte und Lehrer Anspruch auf einen "persönlichen Feiertag"?

Beamte sollen den Anspruch bekommen. In den Erläuterungen zum neuen Gesetz wird explizit festgehalten, dass Lehrer von der neuen Regelung nicht betroffen sein sollen und keinen persönlichen Feiertag bekommen werden. Da an Karfreitagen ohnehin schulfrei ist, ändert sich für diese Gruppe nichts. (András Szigetvari, Günther Oswald, 27.2.2019)

Update: Der Text wurde um 5:58 Uhr erweitert um die Position des Europarechtlers Walter Obwexer.