Vor zwei Jahren stand der steirische Arzt Eduard L. in Graz vor Gericht, weil ihm seine drei Töchter und sein Sohn vorwerfen, sie jahrelang gequält zu haben, als sie noch Kinder waren. Am Dienstag soll der Prozess nach der Aufhebung des umstrittenen Freispruchs des Arztes ganz neu aufgerollt werden.

Laut den Kindern habe der Arzt wiederholt mit Suizid gedroht, sie im Kleinkindalter zum Rauchen ermuntert, sie von Medikamenten abhängig gemacht und sie gezwungen, Verdorbenes zu essen. Eine Tochter soll er genötigt haben, einen Schraubenzieher, den er sich selbst in den Bauch gestoßen hatte, herauszuziehen, den Sohn soll er gezwungen haben, ihm Spritzen zu verabreichen.

Diskutiertes Urteil

Obwohl der Mediziner vor Gericht viele Vorwürfe selbst bestätigte, wurde er im September 2017 überraschenderweise freigesprochen. Richter Andreas Rom tat das von den Kindern geschilderte Martyrium als Folge eines "Rosenkriegs" nach der Scheidung der Eltern ab. Das Urteil war eines der öffentlich am heftigsten diskutierten der vergangenen Jahre. Darin hatte Rom unter anderem festgehalten, dass L. ein Kirchgänger und daher vertrauenswürdiger als seine Kinder sei.

Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, weil "Beweisergebnisse nicht ausreichend erörtert" worden seien. Die Kinder hatten ihrerseits Richter Rom und Staatsanwalt Christian Kroschl wegen Amtsmissbrauchs angezeigt. Sie sahen wichtige Belastungszeugen, Verschlussakten und Beweisdokumente ignoriert.

Die Anzeige gegen Kroschl wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zurückgelegt. Bei Rom ist die "Anfangsverdachtsprüfung noch nicht abgeschlossen", teilte die Behörde dem STANDARD am Montag mit. Einem Delegierungsantrag der Kinder, die das steirische Gericht für befangen hielten und das Verfahren gern in einem anderen Bundesland gesehen hätten, wurde nicht stattgegeben. Der neue Prozess beginnt mit der Einvernahme des Beschuldigten vor einem neuen Richter.

Andere Schauplätze

Zusätzlich zu den Vorwürfen der Kinder wirft eine Ex-Freundin und Patientin dem Arzt Vergewaltigung vor. Außerdem ist der Todesfall des Vaters dieser Frau, eines Nachbarn und Patienten L.s, ungeklärt. Der Mann starb durch eine Waffe, die L. im Nachlass einer verstorbenen Patientin geerbt haben soll. Die Polizei stufte das zuerst als Suizid ein, nun wird gegen unbekannt ermittelt.

Die Nennung des Namens des Arztes ist nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Dezember 2018 im Zuge der Prozessberichterstattung im öffentlichen Interesse zulässig, da er auch seine Kinder behandelt und dabei gegen ärztliche Pflichten verstoßen haben soll. (Colette M. Schmidt, 25.2.2019)