Am kommenden Donnerstag beendet Norbert Darabos seine 32 Jahre dauernde Karriere. Die führte ihn vom Gemeinderat des mittelburgenländischen Filez/Nikitsch bis ins Wiener Parlament, in die SPÖ-Parteizentrale, ins Ministeramt, schließlich wieder ins Eisenstädter Landhaus. Lange Zeit hatte er als logischer Thronfolger des Hans Niessl gegolten. Aber nicht nur daraus ist nichts geworden.

Darabos' Karriereverlauf ein Auf und Ab zu nennen wäre, wenn schon nicht falsch, so doch ein wenig zu euphemistisch. Es war drastischer. Seine Misserfolge waren Desaster; seine Erfolge Überraschungen. Manche – wie 2000 der Wahlsieg des unbekannten, noch blassen, tief in den SPÖ-Schatten des Bank-Burgenland-Skandals geduckten Hans Niessl – wie ein Wunder.

Norbert Darabos war einer der erfolgreichsten erfolglosen Politiker des Landes. Oder umgekehrt: einer der erfolglosesten erfolgreichen. Solcher Bilanz widerspricht er nicht. Aber das muss nicht heißen, dass er zustimmt. Entschieden Nein zu sagen, das ist noch nie das Seine gewesen. Vor allem dann nicht, wenn die Partei ihn um etwas gebeten hat.

Norbert Darabos war einer der erfolgreichsten erfolglosen Politiker des Landes.
Foto: Matthias Cremer

Als er Anfang Februar bei einer Pressekonferenz seinen Rückzug verkündete, zitierte er Fred Sinowatz: "Ohne Partei bin ich nichts." Ganz klar wurde nicht, was genau er damit sagen wollte. Er sagt: dass Loyalität ein für ihn sehr hoher Wert sei. Es klang traurig. Ob er der Tessék jener Partei sei, deren Karren er mehrmals aus dem Dreck hat ziehen müssen? "Wenn damit gemeint ist, dass ich ein Parteisoldat war, dann ja." Wenn ein ehemaliger Verteidigungsminister das sagt, darf man's weiterspinnen: General war er nicht.

Krowodnrock

Norbert Darabos war aber nicht immer nur der bloße Passagier seines eigenen Karrierezugs. Ganz im Gegenteil, erinnert sich Josko Vlasich, zehn Jahre grüner Landtagsabgeordneter in Eisenstadt, vor allem aber Erfinder des Krowodnrock und als Bandleader von Bruji bis heute nicht versiegende Inspirationsquelle für die stete Neuerfindung der jeweils jungen Burgenlandkroaten.

"Der Norbert hat die SPÖ, die ja voll auf Assimilation gepolt war, umgepolt. Auch wenn sich das andere an den Hut stecken: Das war er ganz allein."

Manche mögen mutmaßen, dem rural geprägten Darabos sei dann das Urbane halt über den Kopf gewachsen. Darabos ist freilich ein waschechter Wiener. Allerdings einer, der die Stadt von unten kennengelernt hat. Auf Zimmer, Kuchl, Kabinett, als Kind wochenpendelnder Arbeiter. Vater Maurer, Mutter Hilfsarbeiterin. Der Sohn sollte es besser haben. Sie schickten ihn um ein Heidengeld ins katholische Marianum.

Der Bub maturierte. Studierte Politikwissenschaft, Geschichte. Daheim aber war er, wenn auch nur am Wochenende und in den Ferien, in Mjenovo / Kroatisch Minihof, das zur Großgemeinde Nikitsch gehört. "Gefühlt hab ich mich immer als Burgenländer."

"Kroatisch kann ich bis heute nur im regionalen Dialekt." Den aber, sagt Vlasich, sehr gut. Darabos schrieb seine Diplomarbeit übers "Selbstverständnis der burgenländischen Kroaten in der Zweiten Republik". Die darin erwogenen Thesen zur Schändlichkeit der durch die SPÖ-Kroaten selbst vorangetriebenen, selbstverachtenden Assimilierung breitete er, der Mittzwanziger, auch in Parteiversammlungen aus. Die Angesprochenen – allen voran Fritz Robak, einflussreicher Altbürgermeister von Stikapron/Steinbrunn – "verlangten meinen Parteiausschluss".

Norbert Darabos studierte Politikwissenschaft und Geschichte.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Stattdessen aber holte Karl Stix – der aus dem vor einem Jahrhundert schon vollständig assimilierten Orbuh/Rohrbach nach Vorištan/Hornstein geheiratet hatte – den Aufmumpf vom Renner-Institut als Pressesprecher ins Landeshauptmannbüro, machte ihn 1998 zum Landesgeschäftsführer, schickte ihn in den Landtag. Und ehe der junge Mann sich's versah, musste er wegen des Bank-Burgenland-Skandals sein erstes Wunder wirken: das mit Hans Niessl eben. Schuster Darabos – ungarisch für Stickler – schien seinen Leisten gefunden zu haben.

Hohn vom Parvenu

Leider blieb er nicht bei ihm. Ein gewisser Alfred Gusenbauer – vom linksbewegten SJ-Chef längst zum gourmandhaften Parvenu konvertiert, der wortreich zu sudern wusste über sudernde Gewerkschafter, die ihm den Unterschied zwischen Barolo und Barroso erläutern wollten – holte den Burgenländer 2003 in die Wiener Löwelstraße.

Von dort aus managte er 2004 Heinz Fischer – der damals noch schwer unter dem Image litt, hauptsächlich der zu sein, der aufs Klo geht, wenn es brenzlig wird – zum Bundespräsidenten. Zwei Jahre später Alfred Gusenbauer zum Bundeskanzler. Der revanchierte sich damit, den aufs Innenministerium spekulierenden Wahlkampfchef zum Verteidigungsminister zu machen. Nicht ohne ihn noch mit den Worten, er habe damit "das große Los gezogen", zu verhöhnen. Was dann folgte bis zur vorwöchigen Sitzung im Eurofighter-U-Ausschuss, ist bekannt. Und es wird noch eine Zeitlang bekannt bleiben.

Es mag ja durchaus Respekt abnötigen, dass Darabos sechs Jahre durchgehalten hat in der Rossauer Kaserne, wo der Zivildiener vom ersten Moment an nicht gelitten gewesen ist. "Nein", ja, das hätte er sagen können zum Gusi. "Aber ich habe wirklich geglaubt, ich kann dort was verändern."

Nein hätte er auch sagen können zu Michael Häupl, als der aus Gründen, denen es am gerechtesten wird, wenn man sie dahingestellt lässt, plötzlich für die Abschaffung der Wehrpflicht eingetreten war, obwohl der Verteidigungsminister kurz zuvor diese noch – in guter, alter sozialdemokratischer Tradition – in Stein gemeißelt hatte. "Aber ich habe mich dann selber überzeugt, dass ein Berufsheer sinnvoller ist." Sich vielleicht. Den – sozialdemokratischen – Generalstabschef Edmund Entacher und den obersten Chef, Heinz Fischer, nicht.

Wahl 2013 – der vielleicht letzte SP-Sieg für lange Zeit.
Foto: Regine Hendrich

Entacher musste gehen. Klagte sich retour. Darabos kehrte, nach verlorener Schlacht um die Wehrpflicht, in die Löwelstraße zurück und holte als Bundesgeschäftsführer – 2013 für Werner Faymann – einen Sieg bei den Nationalratswahlen. So wie es im Moment aussieht, könnte das für eine lange Zeit auch der letzte für die SPÖ gewesen sein.

2015 kehrte er, der einst ausgezogen war, um sich die Sporen eines Landeshauptmanns zu verdienen, ins Eisenstädter Landhaus zurück. In ein rot-blaues. Er versprach, ein "Bollwerk gegen die FPÖ" zu sein. Bei einem anderen hätte das eine Kampfansage sein können. Bei Norbert Darabos reichte es zu kaum mehr als mildem Spott.

Als Landesrat war er dann auch zuständig für die Landesspitäler, entließ ohne nachweisbaren Grund den Chef der Holding. Das Arbeitsgericht hat dem sozialdemokratischen Arbeitgeber absehbarerweise gehörig die Leviten gelesen. Auch hier hätte er – so wird es kolportiert, er selber hütet diesbezüglich seine Zunge, die ihm ansonsten schon gerne abbiegt ins Ungefähre und Anekdotische – einfach Nein sagen können. Auch hier hat er sich aber auch selber überzeugt. Oder halt überzeugen lassen.

Dass er es nie über sich gebracht hat, wider eigentlich besseres Wissen Nein zu sagen, hat ihn auch so manche Nacht um den Schlaf gebracht. "Ich schaffe es bis heute nicht, die Dinge nicht mit ins Bett zu nehmen." Auftritte wie jener am vergangenen Donnerstag im U-Ausschuss rumoren nächtelang vorher und nachher im Kopf. "Nach meiner Aussage hab ich geglaubt, ich schaff's nicht mehr. Mein Kreislauf ist fast kollabiert."

Dünnhäuter, Dickhäuter

Nie hat der Jasager es geschafft, sich eine dicke Haut wachsen zu lassen in all den diesbezüglich doch so lehrreichen Jahren. Aber seltsam: Kaum ist in der Nähe ein Porzellanladen, schon wird ein Dickhäuter aus Norbert Darabos.

In Hans Peter Doskozils Team ist kein Platz mehr für ihn. Er kehrt als Historiker zurück in den Landesdienst, wird – nein: muss, soll, ja: will – die Burg Schlaining zu einem "Haus der Zeitgeschichte" machen und die große Ausstellung zur 100-Jahr-Feier des Burgenlandes 2021 koordinieren.

Fred Sinowatz, ein Historiker wie Darabos, wäre am liebsten Direktor des burgenländischen Landesarchivs geblieben und nicht Bundeskanzler geworden. Norbert Darabos verwirklicht also gewissermaßen den Traum seines großen Vorbilds, das es auch so schwer übers Herz gebracht hat, Nein zu sagen.

Der amerikanische Geheimdienst, das wurde durch Wikileaks bekannt, hatte einst Folgendes zu den Akten genommen: "Er wird als ambitionierter Politiker beschrieben, der gegen seinen Willen auf einen in Österreich weniger wünschenswerten Ministerposten abgeschoben wurde." Viel ändern muss die NSA nicht. (Wolfgang Weisgram, 26.2.2019)