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Wer im Netz präsent ist, bekommt neben Positivem meist auch Negatives ab. Der gute Rat: Sich bei Angriffen nicht in die Schusslinie stellen und drauf einsteigen, sondern: den Vorfall öffentlich machen, an Profis delegieren, die den Fall weiterverfolgen.

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Hass im Netz – was ist das genau, in welchen Fratzen kommt er daher? Und vor allem: Welche Handhabe dagegen gibt es überhaupt? Das Frauennetzwerk der ÖBB behandelt immer aktuelle Themen, stets solche, die über die täglichen beruflichen Angelegenheiten hinausgehen. Beim Treffen mit der Agenda Hatespeech war der Saal im Konzernhochhaus am Hauptbahnhof aber noch einmal voller als sonst.

Sigrid Maurer schildert ihren "Fall": erstinstanzlich verurteilt wegen übler Nachrede, nachdem sie die übergriffigen Mitteilungen eines Wirtes aus ihrer Wohngegend im achten Wiener Bezirk gepostet hatte, und aktuell mit einer Forderung des Wirtes in Höhe von 50.000 Euro konfrontiert. Als ehemalige Grün-Abgeordnete (jetzt ist sie wissenschaftlich für das IHS tätig) sei sie Angriffe gewöhnt – und findet übrigens, dass Politikerinnen sich da mehr sagen lassen müssen als Zivilpersonen. Aber diesmal sei es zu viel gewesen.

Gemeinsam mit dem Verein Zara für Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit hat sie 100.000 Euro sammeln können, die nun als "Kriegskasse" verwendet werden sollen, um "Präzedenzfälle durchzukämpfen"

Fürsorgepflichten des Arbeitgebers

Dass durchaus noch Handlungsbedarf besteht, bestätigt die Strafrechtlerin Pilar Koukol (Kanzlei Paulitsch Law). Sie hält es für zentral, eine klare Definition von Hatespeech einzuführen, um damit eine Botschaft zu senden – "Persönlichkeitsrechte dürfen nicht verletzt werden". Eine verwaltungsstrafrechtliche Handhabe hält sie für diskutierenswürdig, wissend, dass es "hochkomplex und sicher nicht einfach" ist, die großen Diensteanbieter in die Pflicht zu nehmen. Könnten diese durch Beteiligung strafbar sein? "Dazu gibt es keine Rechtsansichten", sagt die Juristin.

Wohl aber habe der Arbeitgeber Fürsorgepflichten, wenn Mobbing und/oder Hatespeech im Arbeitsumfeld auftreten – das müsse geprüft, dokumentiert und im Falle angemessen sanktioniert werden. Postings haben ja auch in den vergangenen Jahren, besonders seit dem Jahr 2015 mit vielen Flüchtlingsankünften, schon zu Entlassungen oder Kündigungen geführt.

Wie es Unternehmen handhaben

Diese Schritte seien in Ausnahmefällen auch in der ÖBB nötig gewesen. Ingrid Gogl ist für die digitale Kommunikation und Positionierung des Konzerns zuständig, betreut mit ihrem Team auch den Facebook- und Twitter-Auftritt. Damit, sagt sie, wisse sie unmittelbar, wie es Kundinnen und Kunden geht, und ja, klar gebe es auch Beschimpfungen und Herabwürdigungen. Das seien etwa zehn Prozent der rund 200 Posts. Meistens sei das gegen das Unternehmen gerichtet, manchmal auch gegen Mitarbeiter. "Da äußern wir uns in aller Deutlichkeit und treten mit den Usern auch in Diskurs – wir haben Verantwortung für unsere Mitarbeiter und Verantwortung dafür, wie wir miteinander reden und umgehen wollen. Es gibt Grenzen. Wir stehen für Werte, für Gleichberechtigung und für Inklusion, da gibt es keine Toleranz."

Was sie von einem "digitalen Vermummungsverbot" hält? Nicht viel: "99 Prozent der wirklich schiachen Sachen kommen von Menschen mit Klarnamen und öffentlichen, detaillierten Profilen." Maurer: "Auf diese Idee kommt man nur, wenn man sich nicht wirklich beschäftigt hat mit dem Thema oder andere Interessen verfolgt."

Konkrete Tipps

Ganz konkret: Wie soll man agieren, wenn ein digitaler Angriff kommt? Maurer ist pragmatisch: Screenshot, Dokumentation, zum Verein Zara gehen und Hilfe holen.

Die Psychoanalytikerin Rotraud Perner sagt: ausatmen, in die Beobachterrolle gehen. Sich nicht in die Schusslinie stellen und drauf einsteigen, sondern: den Vorfall öffentlich machen, an Profis delegieren, die den Fall weiterverfolgen. Gewaltprävention gehöre in allen politischen Ressorts verankert und als Basis für einen Schutz aufgebaut.

Nur der Vollständigkeit halber spricht Perner aus, was alle immer mitdenken: "Das passiert Männern ebenso wie Frauen, man braucht sich nur in der Politik umsehen." (Karin Bauer, 25.2.2019)