Wenn Harald Vilimsky, blauer Delegationsleiter im Europaparlament, über die heimische Konkurrenz bei der EU-Wahl räsoniert, findet er nur für seinen stärksten Kontrahenten ein paar anerkennende Worte: "Der Einzige, der auch im Flieger" nach Brüssel oder Straßburg "höfliche Umgangsformen an den Tag" lege, erzählt Vilimsky, sei ÖVP-Frontmann Othmar Karas – während es die scheidenden EU-Abgeordneten Angelika Mlinar von den Neos oder Michel Reimon von den Grünen "nicht einmal zu einem ,Grüß Gott!'" brächten.

Bei solchen Ausführungen kann man den Eindruck gewinnen, Vilimsky, im Zweitjob wortgewaltiger FPÖ-Generalsekretär und selbst nicht gerade ein Mann der feinen Klinge, gefalle sich selbst ganz gut in der Rolle des Geächteten – weil er in der Union längst gewichtige Verbündete gefunden habe, vor denen die anderen Fraktionen zitterten.

Reimon kann nicht bestätigen, dass er Vilimsky im Flugzeug oder anderswo ignoriere: "Er bemüht sich nicht einmal um Augenkontakt", erklärt der Grüne. "Und so hat das mit dem Grüßen irgendwann aufgehört." Wohl aber bestätigt Reimon, dass Vilimskys Vorhaben Realität werden könnte, nach geschlagener Wahlschlacht Europas unionsskeptische Rechtspopulisten zu einer noch breiteren Allianz zusammenzuführen, die die Sozialdemokraten mandatsmäßig übertrumpft.

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Harald Vilimsky mit Frankreichs Rechts-Außen Marine Le Pen – der EU-Delegationsleiter der FPÖ spricht übrigens Französisch auf B2-Niveau.
Foto: AP / Thibault Camus

Zu Wochenbeginn soll der 52-jährige Wiener vom Parteivorstand jedenfalls erneut zum EU-Spitzenkandidaten der FPÖ gekürt werden. Denn neben Frankreichs Rechts-Außen Marine Le Pens war es auch Vilimskys Verdienst, dass sich Mitte 2015 die äußerst rechten, bis dahin ziemlich uneinigen Parteien aus sieben Staaten zu einer Fraktion zusammengeschlossen haben – der ENF, das Kürzel für "Europa der Nationen und der Freiheiten", mit 37 von 751 Mandaten.

Doch mit dem Brexit Ende März würden sich für dieses Lager neue Möglichkeiten auftun, spekulieren Vilimsky, Salvini und Co, weil die Europaskeptiker derzeit auf drei Fraktionen aufgeteilt sind. "Im Europäischen Parlament gilt: Size matters!", sagt Vizefraktionschef Vilimsky zu den bereits laufenden Gesprächen. "Je mehr Flags du hast, desto stärker ist man."

Mit dem Abgang der starken britischen Tories sowie der Ukip stehen die zwei anderen rechten Fraktionen nämlich vor dem Aus. Die deutsche AfD oder die polnische PiS wären für Vilimsky daher in der ENF höchst willkommen.

Wider Karas' EU-Predigten

Zusammengenommen hätten die rechten Kräfte sogar das Potenzial, die Europäische Volkspartei im Rennen um den ersten Platz herauszufordern – und nicht zuletzt deswegen sucht Vilimsky jetzt schon gern über Twitter den Infight mit Karas. Im letzten EU-Wahlkampf verhöhnte er den überzeugten Europäer als "EU-Pfarrer". Heute sagt der Freiheitliche, derzeit mit knapp 20 Prozent ausgestattet: "Ich bin ein Pragmatiker, Karas ist ein Gläubiger – die aktuelle EU-Politik ist für ihn absolut, wie eine Heilslehre." Nachsatz: "Aber er verstößt damit in Permanenz gegen die Politik der Bundesregierung", etwa, indem Karas die Indexierung der Familienbeihilfe anprangere.

Was Vilimsky nicht dazu sagt: dass die EU-Kommission wegen dieser Maßnahme, die vor allem auf den Nachwuchs von Arbeitskräften im Osten abzielt, längst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet hat.

Mit Strache am Großglockner

Doch der Vertraute von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der mit dem jetzigen Vizekanzler schon den Großglockner bezwungen hat, kämpft nicht nur gegen einen angeblich "von Brüssel gesteuerten europäischen Zentralstaat" an, sondern tritt auch für "den Erhalt der Nationen" ein – und sein Spezialgebiet ist da die Stimmungsmache gegen den Islam und seine Gläubigen.

Vor dem letzten unionsweiten Urnengang kupferte Vilimsky, der schon für eine Volksbefragung über Minarette und Kopftücher eintrat, eifrig bei Le Pen ab – und verlangte von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einen Erlass, dass an den Schulen weiterhin Schnitzel anzubieten ist. Zuvor hatte die Französin, mittlerweile als "Madame Frexit" berüchtigt, als antimuslimisches Signal für alle Schulkantinen Menüs mit Schweinefleisch eingefordert.

Nicht unter Message Control

Ebenfalls unvergessen: dass Vilimsky Altparteichef Jörg Haider, der sich mit dem BZÖ abspaltete, einst als "Türken-Jörg" verspottet hatte. Dabei war es "der erfrischende Gegenwind", den Haider in den Neunzigern im Land erzeugt habe, der Vilimsky als Twentysomething nach einer schwierigen Jugend – die Mutter verstarb, der Stiefvater ließ ihn im Stich – zur FPÖ gelockt hat. Doch als akademisch geprüfter PR-Berater fand er nach seinem ersten Engagement als Sprecher im blauen Parlamentsklub bald Anschluss im Wiener Landtagsklub, wo sich sein Weg mit jenem von Strache kreuzte. Seit damals gelten die beiden als enge Parteifreunde.

Er müsse mit dem Chef daher nicht erst mühsam diverse Polit-Botschaften abgleichen, bevor er mit seinen Messages in die Welt hinausgehen kann, erklärt Vilimsky, denn: "Zu manchen Leuten in der Partei hat man untertags ja mehr Kontakt als mit dem Ehepartner, sodass man genau weiß, wie der andere denkt."

Kein Problemlöser

In den Oppositionsjahren rief Strache Vilimsky, der übrigens kein Burschenschafter ist, oft als potenziellen Innenminister aus – bis Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Freiheitlichen im Zuge ihres Regierungseintritts einen Strich durch diese Rechnung machte. Denn für Vilimsky war ein Austritt der FPÖ aus der ENF nicht verhandelbar.

Seine aktuellen Expansionsgelüste nimmt ihm nun Karas besonders übel: "Sein Politikverständnis ist und bleibt das eines Generalsekretärs. Das zeigt seine Rhetorik und seine Geisteshaltung." Und Karas ist auch davon überzeugt: "Vilimsky ist kein Problemlöser, er ist ein Emotionalisierer – und jetzt will er ein Bündnis schaffen, das der Zerstörung des vereinten Europa gleichkommt." (Nina Weißensteiner, 23.2.2019)