Forscher vom Institut für Neurowissenschaften und Medizin in Jülich können mit einem Blick auf das Gehirn sagen, ob jemand Sport macht, Alkohol trinkt und raucht.

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Sport ist gesund, Alkohol und Rauchen sind es nicht. Das ist keine "Rocket Science". Neu ist hingegen: Wie wir leben, lässt sich auch im Gehirn ablesen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin durchgeführt wurde. Nora Bittner und Professorin Svenja Caspers analysierten gemeinsam mit Kollegen die Daten von 248 Frauen und 301 Männern im Alter von 55 bis 85 Jahren.

Die Forscher konnten für ihre Studie sowohl auf Kernspinaufnahmen der Gehirne als auch auf einen umfangreichen Datensatz zu der Lebenssituation der Probanden zurückgreifen. Als Lebensstilfaktoren galten Alkohol- und Tabakkonsum, körperliche Aktivität, aber auch das soziale Umfeld. "In bisherigen Studien wurde meist nur ein einzelner dieser Aspekte beleuchtet", sagt Studienleiterin Svenja Caspers. "Unser Datensatz erlaubt es hingegen, alle vier Aspekte gleichzeitig in jedem einzelnen Probanden zu betrachten und dabei auch Effekte aufzudecken, die erst durch das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren zustande kommen."

Das Ergebnis der Untersuchung: Sport, soziale Kontakte und Alkohol wirken sich laut den Ergebnissen direkt auf die Gehirnstruktur aus. "Die graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns ist zum Beispiel bei Menschen, die in einem regen sozialen Umfeld leben, besser erhalten, als bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben. Auch sportlich aktive Menschen zeigen im Alter einen geringeren Volumenverlust des Gehirns als inaktive Zeitgenossen. Ein hoher Alkoholkonsum wirkt sich hingegen negativ auf die Gehirnstruktur aus, geht also mit einem Gehirnabbau und dem Verlust von Nervenzellen einher", erläutert Nora Bittner.

Was Rauchen macht

Was die Forscher noch herausfanden: Rauchen beeinflusst weniger die Gehirnstruktur, sondern vielmehr die Gehirnfunktion. "Es zeigte sich, dass die sogenannte funktionelle Konnektivität, also die gezielte Zusammenarbeit von Hirnregionen untereinander, im ruhenden Gehirn bei Rauchern höher ist als bei Nichtrauchern", sagt Bittner. "Wir gehen davon aus, dass dadurch die kognitive Reserve bei Rauchern geringer ist, da die betreffenden Regionen schon im Ruhezustand auf Hochtouren laufen und damit kein Leistungspuffer mehr frei ist", ergänzt die Neurowissenschafterin.

Als kognitive Reserve gilt die Fähigkeit des Gehirns, zusätzliche Kapazitäten im Gehirn zu aktivieren, also mehrere Bereiche zur Lösung eines Problems hinzuzuziehen, um zum Beispiel Alterungsprozesse zu kompensieren. Sind diese Bereiche schon anderweitig ausgelastet oder geschädigt, kommt es folglich zu einer geringeren geistigen Kapazität. "Unsere Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass allgemeingültige Aussagen zu einer gesunden Lebensführung sich auch anatomisch und funktionell im Gehirn widerspiegeln", betont Svenja Caspers.

Einfluss der Genetik

Zusätzlich untersuchten die Forscher auch genetische Veranlagungen, die mit einem erhöhten Rauchverhalten beziehungsweise Alkoholkonsum einhergehen. "Zusammen mit unseren Kollegen aus der Genetik konnten wir belegen, dass die Erbinformationen offensichtlich eine nebensächliche Rolle spielen. Wichtiger als die pure Veranlagung ist also das tatsächliche Verhalten", so Nora Bittner.

Überrascht war das Wissenschafterteam auch von der starken Korrelation zwischen sozialer Interaktion und der ausgeprägten Hirnstruktur. "Der positive Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und geistiger Leistungsfähigkeit ist schon länger bekannt und gut belegt", sagt Caspers. "Dass nun ein intensives oder geringes Sozialleben ebenfalls deutliche Spuren im Gehirn hinterlässt, eröffnet eine Vielzahl von neuen Forschungsfragen – etwa, ob sich Sport in der Gruppe anders auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt als der einsame Waldlauf." (red, 24.2.2019)