Es ist legitim und richtig, wenn der Politiker Jean-Claude Juncker die jüngsten Ausfälligkeiten der Partei des ungarischen Premierministers Viktor Orbán scharf kritisiert. Die von Fidesz verbreiteten Wahlplakate, welche den Kommissionschef mit Investor und Mäzen George Soros zeigen und beiden unterstellen, durch Migrationspolitik die nationale Sicherheit zu unterlaufen, sind absurd.

Orbáns Kampagne hat einen (von seinen Leuten seit langem geschürten) antisemitischen Ton, ist ausländerfeindlich, verbreitet Lügen. Juncker hatte also allen Grund zur Intervention. Alle seriösen Parteien im EU-Parlament und (fast) alle Regierungen werden dem zustimmen.

Dennoch ist seine Gegenattacke nicht unproblematisch. Der Christdemokrat fordert seine Parteienfamilie, die EVP, dazu auf, Orbáns Fidesz auszuschließen. Das mag persönlich verständlich, sogar sympathisch sein. Aber Juncker ist Präsident der Kommission, kein Parteipolitiker. Er sollte über Parteien stehen, sich nicht in Wahlkämpfe werfen. Das schwächt nur die unabhängige Rolle der Kommission. Wenn Juncker glaubt, dass Orbán und Co gegen die EU-Charta verstoßen, könnte er sofort ein Verfahren einleiten.

Für die EVP wäre ein Ausschluss Orbáns strategisch jedenfalls heikel. Laut Prognosen wird sie im Mai deutlich an Stimmen verlieren – so wie die Sozialdemokraten auch. Die Fraktion der radikal Rechten im EU-Parlament würde durch die Aufnahme von Fidesz deutlich gestärkt werden. (Thomas Mayer, 21.2.2019)