Sebastian Kurz trug sich im Roosevelt Room des Weißen Hauses ins Gästebuch ein, Donald Trump beobachtete. Als einziger Journalist durfte der Fotograf des Bundespressedienstes dabei sein.

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Amerikaner lieben bekanntlich Superlative. Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz als "jüngster Regierungschef" Europas, aber auch als Kanzler ohne Berührungsängste mit einer im Nationalsozialismus wurzelnden Partei und mit politischen Parallelen zum eigenen Präsidenten eine gute Schlagzeile darstellt – dessen sind sich US-Journalisten bewusst. Deshalb landete Kurz auch schon im vergangenen Herbst beispielsweise auf dem Titel des US-Magazins "Time".

Den Besuch des Bundeskanzlers nahmen Mitte der Woche auch einige US-Kollegen für Berichte über den an Jahren jungen Politiker zum Anlass, der mit der Freiheitlichen Partei regiert. Spätestens seit den Phänomen Jörg Haider schenken außenpolitisch interessierte US-Medien dem politischen Geschehen in Österreich Aufmerksamkeit, erklärt auch White-House-Korrespondent John Gizzi von der konservativen Onlineplattform Newsmax dem ORF. An der Person Kurz interessiere außerdem, dass er in der politischen Rhetorik manchmal mit dem US-Präsidenten vergleichbar sei. Parallelen orten auch andere US-Medien vor allem in der Migrationspolitik, über die sich beide stark definieren.

Journalisten "on call"

Besuche internationaler Gäste im Oval Office nutzen die White-House-Journalisten immer auch dafür, Fragen zu aktuell in den USA relevanten Themen zu stellen. Angesetzte Pressekonferenzen des Präsidenten sind selten, White-House-Journalisten sind immer "on call". Wenn Trump ein Treffen oder eine Veranstaltung eröffnet, sind sie zur Stelle, um Statements einzuholen. Eine ungewohnte Situation für Kanzler Kurz, der bei seinem großen Moment im Oval Office über eine lange Strecke hin akzeptieren musste, dass er zum Statisten einer Ad-hoc-Pressekonferenz Trumps für die Inlandspresse wurde.

Dabei ging es durchaus zur Sache, beispielsweise zum früheren FBI-Vizechef Andrew McCabe. Der hatte dem Präsidenten vorgeworfen, das US-Justizsystem zu untergraben. "Lächerlich", entgegnete Trump der CNN-Journalistin Caitlin Collins, er sei höchstens ein "J. Edgar Hoover für Arme". Sprecherin Sarah Sanders beendete dann die Veranstaltung.

"Sehr attraktiv" für Trump

Freilich erschienen am Tag danach auch Artikel über den bilateralen Besuch. Die New York Times beispielsweise sieht in "the world's youngest leader" eine "verwandte Seele" für Trump von einem Kontinent, den dieser sonst eher vergräme. Die Regierungsbeteiligung der "extrem rechten" FPÖ mache Kurz "sehr attraktiv" für Trump und sein Umfeld, schreibt die liberale Zeitung in ihrer Donnerstagsausgabe. Die beiden würden vor allem die Vorliebe für Nationalismus und einen entschlossenen Kampf gegen Immigration teilen. "Der Immigrationshardliner besucht das Weiße Haus", titelte auch der US-Fernsehsender ABC News einen Onlinebeitrag. Kurz bekenne sich zwar unmissverständlich zur EU, er betone aber auch stark "die österreichische Tradition".

Die "New York Times" erinnert auch daran, dass der einflussreiche rechtskonservative US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, Kurz im ultrarechten US-Portal Breitbart als "Rockstar" bezeichnet hatte. Er soll auch bei der Terminfindung ein gewichtiges Wort mitgeredet haben. Grenell hatte mit der Aussage, er wolle die Konservativen auf dem Kontinent stärken, im Sommer 2018 für Diskussionen gesorgt. So entstand im Vorfeld der Reise auch der Vorwurf, Trump wolle Kurz instrumentalisieren, um die EU zu spalten, was beide Seiten zurückweisen. Ein Thema aber, mit dem Kurz auch im Interview mit der "Washington Post" rechnen musste, das als letzter Termin vor dem Rückflug am Donnerstag angesetzt war.

Merkel-Kritik in der "Bild"

Bereits ein Interview gegeben hat Kurz indes der deutschen "Bild"-Zeitung. Dem Boulevardblatt aus dem Springer-Konzern sagte der Kanzler, seinem Eindruck nach sehe Trump vor allem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel "sehr kritisch". Das transatlantische Verhältnis war generell schon einmal besser und Deutschland ist, was Europa angeht, erster Ansprechpartner auf der Welt. Durch die starken deutschen Exporte ist man da besonders im Fokus hier", so Kurz laut einem Vorabbericht der Zeitung. (Manuela Honsig-Erlenburg, 21.2.2019)