Mit der Kampagne "Auch Sie haben ein Recht zu wissen, was Brüssel vorhat" macht die ungarische Regierungspartei Fidesz klar, wer ihre Feinde sind: Jean-Claude Juncker und George Soros.

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In den Straßen von Budapest sind die Plakate zunehmend sichtbar: Sie zeigen den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker – und hinter ihm, quasi als Einflüsterer, den liberalen US-Milliardär George Soros, einen Überlebenden des ungarischen Holocausts. Juncker grinst auf der wohl manipulativ gemeinten Fotomontage eher dümmlich, Soros eher dämonisch.

"Auch Sie haben ein Recht zu wissen, was Brüssel vorhat", steht da in dicken Lettern. Kleiner gedruckt stehen darunter falsche Behauptungen über die EU-Migrationspolitik: dass "Migrantenvisa" eingeführt, "verpflichtende Ansiedlungsquoten" verfügt und der Grenzschutz der EU-Mitgliedsländer absichtlich "geschwächt" würden. All dies sei das sinistre Werk der Herren Soros und Juncker, wird dem Betrachter suggeriert.

Nach etlichen, auch antisemitisch codierten Kampagnen gegen Soros und nach Kampagnen gegen Flüchtlinge hatte Ungarns rechts-populistische Regierung die Bild- und Textmotive ihres jüngsten Feldzuges gegen die EU-Politik schon am vergangenen Montag präsentiert. Der personalisierte Frontalangriff auf Juncker löste unter Konservativen in Brüssel und Berlin einen Sturm der Entrüstung aus.

Merkel: Volle Solidarität mit Juncker

Die Fidesz-Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán ist nämlich Mitglied der Parteienfamilie der Europäischen Volkspartei (EVP), aus der Juncker kommt. Dieser konstatierte, dass die Fidesz-Partei keinen Platz in der EVP habe. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel versicherte am Donnerstag Juncker ihre "volle Solidarität".

Tatsächlich dürfte es Orbán mit der neuen Kampagne übertrieben haben. Die oppositionelle Budapester Tageszeitung "Népszava" zitierte am Donnerstag einen namentlich nicht genannten Fidesz-Europaabgeordneten mit den Worten: "Damit haben wir wahrscheinlich übers Ziel hinausgeschossen."

Die Orbán-Regierung bezeichnet den propagandistischen Feldzug, der in Ungarn den sichtbaren Auftakt zum Wahlkampf für die Europawahl im Mai bildet, zynisch als "Informationskampagne". Das heißt dann wohl auch, dass sie nicht aus der Fidesz-Parteikasse, sondern vom Steuerzahler finanziert wird.

Problem für die EVP

Die EVP würgt seit Jahren am Problem Orbán, dem nachgesagt wird, er baue in seinem Land die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit systematisch ab und pfeife auf die europäischen und christlich-demokratischen Werte. Manche Beobachter in Budapest glauben, dass er seinen Rauswurf aus der EVP provozieren möchte, um dann mit den Rechtspopulisten Europas – wie etwa dem Italiener Matteo Salvini – gemeinsame Sache zu machen.

"Die Zukunft des Fidesz in der EVP ist ungewiss", meinte András Pulai, Direktor des Budapester Meinungsforschungsinstituts Publicus am Donnerstag im ungarischen Privatsender ATV. Vor allem wenn die Partei bei der Europawahl unter den Erwartungen bleiben sollte, könnten ihre Tage in der EVP gezählt sein. (Gregor Mayer aus Budapest, 22.2.2019)