Dank staatlicher Stütze ist Gemüse in der Türkei unschlagbar billig.

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Istanbul – Als Soft Landing bezeichnet man das relative geordnete Übergehen von einer Boomphase in eine Rezession. Darauf hatte die türkische Regierung in den vergangenen Monaten nach der Finanzkrise vom Sommer gehofft. "Das aber ist eine harte Landung", sagt ein Fondsmanager im Istanbuler Zorlu Centre, einem hochmodernen Einkaufszentrum im europäischen Teil der Stadt.

Namentlich genannt werden möchte er nicht, und auch das steht für die aktuelle Atmosphäre in der Türkei. "Sollte eine weitere spekulative Attacke auf die türkische Lira kommen, bricht das hier komplett zusammen."

Noch bemüht sich die türkische Regierung, die Folgen der Rezession zu verdecken. Mal wird der Mindestlohn erhöht, mal verkauft die Regierung verbilligtes Gemüse an Bürger, die sich das durch die zum Teil horrend gestiegenen Preise nicht mehr leisten können.

Infusion

Anfang der Woche nun senkte die Zentralbank die Mindestreserveeinlagen der Banken. Dadurch werden bis zu 5,5 Milliarden türkische Lira (etwas weniger als eine Milliarde Euro) in den Wirtschaftskreislauf gepumpt.

Letztlich aber sind das kosmetische Eingriffe, die über das große Bild nicht mehr hinwegtäuschen können. Die Arbeitslosigkeit liegt bei zwölf Prozent – so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr. Besonders hart trifft es die für die türkische Wirtschaft so wichtige Baubranche. Der Verkauf von Häusern ist im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent zurückgegangen, die Anträge für Neubauten sind sogar um 49 Prozent gefallen. Die Preise für Immobilien sind zwar noch moderat gestiegen, bleiben aber weit hinter der Inflation zurück.

Analysten wie der Ökonom Timothy Ash sehen hinter dem Schritt der Zentralbank als ein Antesten für größere Eingriffe. Die Leitzinsen notieren seit November 24 Prozent. Das konnte die Inflation bisher einigermaßen in Schach halten. Auch der Wechselkurs konnte damit einigermaßen stabilisiert werden. Bekam man im August noch acht Lira für einen Euro, liegt der Kurs mittlerweile wieder bei eins zu sechs. Sollte eine Leitzinssenkung folgen, dürfte die türkische Lira aber wieder stark an Wert verlieren. Das wiederum verteuert Importe und heizt die Inflation an.

Taumelnde Währung

Die Krise war im Sommer durch einen Crash der Lira ausgelöst worden. Zahlreiche türkische Unternehmen gerieten in Schwierigkeiten, weil sie hohe Schulden in Fremdwährungskrediten haben, die sich durch die schwächere Lira verteuerten. Vor allem aber sind ausländische Investitionen eingebrochen, und das liegt nicht zuletzt an den zahlreichen inhaftierten Kritikern, Menschenrechtlern und Journalisten. Dass in der Türkei Rechtsstaatlichkeit herrscht, glauben viele Investoren nicht mehr.

Für die türkische Regierung geht es darum, die Lage bis zu den Kommunalwahlen am 31. März stabil zu halten. Danach ist für Präsident Tayyip Erdoğan zunächst der Weg frei bis zum Jahr 2023, dem Gründungsjahr der türkischen Republik. Viele Analysten vermuten, dass sich die wahre Misere erst nach der Wahl im März zeigen wird. "Das Beste, was der Türkei passieren kann, ist, dass sie den IWF um Hilfe bittet", sagt der Manager. Das aber hat Erdoğan bisher ausgeschlossen. (pmat, 21.2.2019)