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"Sexroboter werden kommen und Anklang finden – ob wir das wollen oder nicht", sagt die Sexualtherapeutin Nicole Kienzl.

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Kaum eine Branche erlebte in den vergangenen Jahren einen so großen Aufschwung wie Sex-Tech, der Verbindung von Erotik und Technologie. Nach nur einem Jahrzehnt schätzt etwa der "Guardian", dass sie im Jahr 2017 gut 30 Milliarden US-Dollar wert ist. In Zukunft rechnen Experten weiterhin mit großem Wachstum. Auffällig ist dabei aber, dass Erotikspielzeug der bisherige Hype um mit Algorithmen ausgerüstete, smarte Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, ausließ.

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Patenttroll blockierte Entwicklung

Doch die bisher vergleichsweise eher schleppende Entwicklung in dem Bereich hat nicht etwa mit fehlendem Tatendrang bei Herstellern von Erotikprodukten zu tun. Eher trug ein sogenannter Patenttroll in den USA die Schuld daran, dass die sogenannte "Teledildonik" sich bisher nicht etablieren konnte: Ein Unternehmen hatte im Jahr 1998 in einer sehr vagen Ausführung diese Art von Technologie patentiert – damals unter der Definition "Methode und Gerät für interaktive, virtuelle Kontrolle von sexuellen Hilfsmitteln durch die Nutzung von digitalen Computernetzwerken".

Schon bald erkannte das Unternehmen dahinter, dass es es nicht schaffen würde, ein solches Produkt selbst zu erfinden – und begann stattdessen, sich finanziell durch Klagen anderer Firmen zu bereichern. 20 Jahre später, im August 2018, ist das Patent abgelaufen.

Bis 2040 "sozial normal"?

Das eröffnet unter anderem auch für die immer intelligenteren Sexroboter neue Pforten. Sie können in Zukunft auch auf bestimmte Befehle reagieren oder miteinander kommunizieren, ohne, dass ihre Hersteller teure Lizenzen erwerben müssen. Mit der steigenden Intelligenz der Geräte wird ihnen auch steigende Popularität am Markt nachgesagt. Bis 2040 sollen Sexroboter "sozial normal" sein, denken Experten wie Trudy Barber der University of Portsmouth. Die Maschinen sollen ihren Käufern zusätzlich zu der sexuellen Komponente vermehrt auch eine – wenngleich gekünstelte – menschliche anbieten.

Unternehmen wie Realbotix haben schon heute solche Maschinen auf den Markt gebracht, aktuell unterscheiden sie sich aber noch nicht radikal von regulären Sexpuppen. Während sie oft schon einen selbst entwickelten Sprachassistenten, ähnlich wie Alexa oder Google Home, integriert haben, ist dieser meist noch nicht so ausgeprägt wie jene der zu anderen Zwecken angebotenen Konkurrenz – und bietet außerhalb von einigen vorgefertigten Antwortmöglichkeiten noch wenig, um für die meisten Nutzer einen echten Ersatz zu menschlichen Beziehungen zu ermöglichen.

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Richardson: Enfremdung und Einsamkeit

Die Thematik wird aber auch kritisch gesehen. Kathleen Richardson, eine Ethikforscherin, die die "Campaign Against Sex Robots" ins Leben gerufen hat, argumentiert etwa, dass Sexroboter den Menschen dehumanisieren und Soziopathen schaffen würden. Es sei "eine Bewegung, die menschliche Entfremdung und Einsamkeit normalisiert", sagt sie im Interview mit dem STANDARD. Die Roboter könnten aus Ihrer Sicht auch nicht etwa den globalen Handel mit Sex eindämmen, da es diese auf Beziehungen zwischen Menschen basieren würden: "Es geht um Macht und um Grenzen – anders als bei Beziehungen zwischen Menschen und Objekten in ihrer Umwelt." Doch andere sehen auch Vorteile.

Faszination statt Kritik "wichtig"

Die Sexualtherapeutin Nicole Kienzl etwa findet: "Technik wird für die Sexualität immer mehr an Bedeutung gewinnen. Aufgabe der Sexualwissenschaft ist es, diesem Prozess, der sowieso stattfindet, nicht mit kritischer Distanz zu betrachten, sondern sie kompetent und intensiv zu begleiten." Es sei wichtig, Forschung zu betreiben und die Thematik mit Faszination zu betracht, anstatt sie nur zu kritisieren. "Sexroboter werden kommen und Anklang finden – ob wir das wollen oder nicht."

Aus ihrer Sicht seien sie als Erweiterung der Selbstbefriedigung zu betrachten. Eine erfüllte Beziehung mit ihnen zu führen erfordere hingegen eine große Vorstellungskraft, weswegen dies nur den Geschmack einer Minderheit treffen würde. "Ich denke, dass Sexroboter die Lust bereichern, sie sind aber Maschinen und werden niemals Ersatz für den Menschen sein."

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Für Ältere und Einsame

Als Vorteil sieht Kienzl, dass nicht nur sozial isolierte Menschen die einzige Zielgruppe der Maschinen sein könnten. "Ein Beispiel sind ältere Menschen, die ihren Partner verloren haben und nicht mehr ausgehen können, um jemanden zu treffen", sagt sie zum STANDARD. Menschen mit Behinderung könnten entscheiden, ob sie eine Sexualbegleitung in Anspruch nehmen wollen, oder die Anonymität eines Sexroboters präferieren. Da Roboter aber keine echten Emotionen hätten, sei die Beziehung einseitig. Auch fehle die Verführung un Eroberung. "Gerade Männern ist die Rückmeldung ganz wichtig."

"Erotische Ja-Maschine"

Trotzdem sind die meisten Sexroboter heute weiblich und an heterosexuelle Männer gerichtet. Kienzl erklärt, dass der Grund derselbe sei wie bei Bordellen für Frauen, die ebenso keinen großen Zuspruch finden: "Viele Frauen brauchen um Lust zu empfinden, viel mehr Zuwendung, Empathie und Bindung als Männer." Zudem sei der moralische Anspruch darauf, was erlaubt ist und was nicht, höher. Sex mit Robotern sei noch nicht akzeptiert. Daher seien Sexroboter bei Männern beliebt, die keinen Wert auf Gegenseitigkeit legen.

"Ein Roboter kann auf die Bedürfnisse ihres Partners eingehen, in dem sie alles bestätigt und beantwortet, was er will. Eine erotische Ja-Sage-Maschine sozusagen", sagt Kienzl. Dennoch denkt sie nicht, dass der Beischlaf deswegen weiter zurückgehen wird. Letzten Endes würden die meisten Menschen dennoch Sex mit anderen Menschen statt mit einer Maschine bevorzugen. Zudem sei die Paarbeziehung eine der wichtigsten Aspekte des Lebens. "Wenn sie gelingt, gelingt oft auch das Leben, und vieles lässt sich leichter bewältigen."

Datenschutzbedenken

Neben ethischer Fragestellungen sind die Geräte auch mit jenen des Datenschutzes konfrontiert. Kaum eine Branche ist von einer solchen Datensammelwut getrieben wie jene der Pornografie. Laut Recherchen von Quartz soll die Branche rund 97 Milliarden Dollar umsetzen, also weit mehr als klassische Videostreaming-Dienste wie Netflix. Um möglichst populäre Inhalte zu entwickeln, wird jeder Klick der Nutzer genau analysiert. Gerade Gratis-Seiten heben eine große Menge an Daten ein. Und auch die Hersteller von Sprachassistenten sammeln sämtliche Eingabedaten ihrer Nutzer.

Missbrauchspotenzial enorm

Gerade bei Sexrobotern herrscht massives Potenzial für Missbrauch, da es sich um hochsensible Materialien handelt – sei es durch die Unternehmen selbst, oder aber, sollten die Daten nicht gut genug geschützt sein, Hackern. Vor allem die Gefahr vor Erpressung dürfte hier für viele User ein Grund zur Sorge sein. (muz, 10.3.2019)