Wien – Kurz vor dem Lkw-Sicherheitsgipfel, den Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) für Dienstag anberaumt hatte, preschte die Stadt Wien in Sachen verpflichtende Nachrüstung des Schwerverkehrs vor. Am Montag verkündete Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne), dass die Stadt eine Million Euro als Wirtschaftsförderung für die Nachrüstung der Lkws mit Abbiegeassistenten bereitstellen wolle.

Allerdings mit einer Bedingung: Der Sicherheitsgipfel der Bundesregierung dürfe nicht nur "ein nettes Gespräch" sein, sondern müsse sich für die verpflichtende Ausstattung mit den Systemen, die Fahrer vor Personen im toten Winkel warnen, aussprechen und seinerseits eine Förderung aufstellen. Denn im Gegensatz zu Hofer sieht Vassilakou das Treffen nicht als ergebnisoffen an. "Ich habe ein klares Ziel, und das ist, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Nachrüstung der Lkws vorzuschreiben." Dazu wolle die Stadt auch einen finanziellen Beitrag leisten. Vassilakou geht davon aus, dass auch andere Bundesländer nachziehen.

Am Dienstag wird im Verkehrsministerium über die Sicherheit auf Österreichs Straßen diskutiert. Wien hat bereits Vorschläge.
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Die Wiener Neos zeigten sich über die Forderung an die Bundesregierung nicht erfreut. "Jeder umgerüstete Lkw macht Wiens Straßen sicherer", reagierte Verkehrssprecherin Bettina Emmerling auf die Ankündigung. "Wir brauchen in dieser Frage sicher kein parteipolitisches Hickhack wie etwa auch in der Bildungspolitik – Wien darf nicht auf Entscheidungen der Bundesregierung warten."

8.000 Wiener Lkws

Unterstützung holte sich die Stadträtin von der Wiener Wirtschaftskammer. "Wenn unerwartete Investitionen auf eine Branche zukommen, müssen wir für diese auch eine Unterstützung sichern", betonte Präsident Walter Ruck. Diese habe man von der Stadt nun zugesagt bekommen. Rund 8.000 Lkws sind in Wien gemeldet. Etwa 20 Prozent (demnach rund 1.600) sind bereits mit einem Abbiegeassistenten ausgestattet, erklärte Ruck. Die Umrüstung werde pro Lkw – je nach System – mit 1.000 bis 2.500 Euro zu Buche schlagen. Die Million der Stadt würde daher nur einen Bruchteil der Umrüstungskosten decken.

Die Wiener Wirtschaftskammer stehe jedenfalls hinter der verpflichtenden Nachrüstung, jedoch dürfe daraus kein Wettbewerbsnachteil entstehen. Ruck setzt sich daher auch für ein sektorales Fahrverbot für bestimmte Fahrzeuge ein.

Österreichische Wirtschaft gegen Nachrüstung

Innerhalb der Wirtschaftskammer ist man sich diesbezüglich allerdings uneins. Zwar sei "die Sicherheit unserer Kinder sehr wichtig", und man wolle auch "alle Maßnahmen, die unsere Kinder schützen", vorantreiben. Allerdings, so betonte Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), sei man "für eine freiwillige Nachrüstung der Lkws mit Abbiegeassistenten".

Konkret tritt der Bundesspartenobmann für ein Gesamtpaket zur Förderung der Kindersicherheit ein. "Wir müssen unsere Infrastruktur prüfen und dort, wo es notwendig ist, modernisieren – so wie das auch Deutschland macht", sagte Klacska. Etwa soll es andere Ampelschaltungen in der Nähe von Schulen geben, sodass nicht Fahrzeuge und Fußgänger gleichzeitig Grün haben. Ebenso braucht es die Verlegung von Schutzwegen, sodass die Lastwagen dann, wenn sie zum Zebrastreifen kommen, wieder geradeaus gerichtet sind und das Problem des toten Winkels auf diese Weise entschärft wird.

Lkw-Bann in der Stadt

Vassilakou gehe es jetzt darum, "Schrott-Lkws" aus der Stadt zu verbannen. Dafür brauche es allerdings die Hilfe vom Bund. Dieser solle mit der Verpflichtung zum Abbiegeassistenten die rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Stadt eine Verordnung erlassen könne. So könnte etwa Lkws aus dem Ausland die Einfahrt in die Stadt verboten werden, sofern sie ohne Abbiegeassistenten unterwegs sind.

Die Ausrüstung der Lkws mit einem Abbiegeassistenten ist für die Stadt allerdings nur ein Puzzleteil. Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) will an dem Bewusstsein aller Verkehrsteilnehmer für den toten Winkel arbeiten.

Tempo 30 nicht notwendig

Auch Vassilakou sieht in der Diskussion über den Schwerverkehr nicht das Ende der Debatte. Derzeit würde sich ihr Büro verstärkt der Verkehrssicherheit rund um die 270 Wiener Volksschulen widmen. Vor "nahezu allen" gebe es bereits eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 Stundenkilometern. Vassilakou will bestehende Lücken schließen.

Tempo 30-Zonen in Wien (orange).

Für die vom Kuratorium für Verkehrssicherheit am Montag geforderte flächendeckende Ausdehnung der Tempo-30-Zonen kann sich Vassilakou nicht begeistern. "Fast im ganzen Wiener Stadtgebiet herrscht bereits Tempo 30. Einzig die großen Verkehrsadern sind zu Recht Tempo 50", sagte Vassilakou. Tatsächlich muss man auf 80 Prozent der Wiener Straßen bereits auf die Bremse treten.

Sollte Vassilakou allerdings tatsächlich die Lücken vor den Volksschulen schließen, sind zumindest teilweise auch ebendiese Verkehrsadern betroffen – beispielsweise die Linzer Straße im 14. Bezirk. (Oona Kroisleitner, 18.2.2019)